Erster Auftritt.

[68] Dominique Vater sitzt zwischen seinen Kindern; den Großsohn hat er auf dem Schooße.


DOMINIQUE S. Ach! verbergen Sie es nicht, guter Vater! – Unsre Lebensweise kann Ihren Beyfall nicht haben.

DOMINIQUE V. Ey, versteh mich nur recht! Daß du den Handel aufgegeben und dafür hier einen einträglichen, angenehmen Ankauf gemacht hast, das finde ich ganz wohl bedacht, mein Sohn! Nur dabey müßt ihr bleiben, daß ihr euch nicht etwa von der Schloßwohnung verleiten laßt, so ganz und gar eine Schloßherrschaft vorstellen zu wollen.[68]

DOMINIQUE S. Gewiß nicht, gewiß nicht!

MADAM DOMINIQUE. Seyn Sie versichert, daß ich darüber mit meinem Manne ganz gleich denke.

DAS KIND. Lieber Großpapa, fange wieder an, erzähle uns noch mehr von Paris!

DOMINIQUE V. Nun ja, liebes Kind! erzählen läßt sich davon recht gut.

DOMINIQUE S. Wie oft haben wir für Sie gezittert, lieber Vater!

MADAM DOMINIQUE. In bangen Träumen fuhr mein Mann auf, rief Ihren Namen, und wir konnten uns gar nicht darüber beruhigen, daß Sie nicht mit uns gegangen waren.

DOMINIQUE V. Alt und nicht reich – was hatte ich zu wagen? Es ist mir auch leidlich gut gegangen. Ich baute meinen Garten, verabschiedete alle Zeitungen, und wenn mir es dann im Hause gar weit und zu leer war, und im Herzen so eng und bange; dann schrieb ich an euch lange Briefe.

DOMINIQUE S. Die Briefe waren immer frohen Muthes; Sie ließen nicht eine Klage hören.

DAS KIND. Bist du denn auch mit in den Krieg marschirt, Großpapa?

DOMINIQUE V. Beynahe, beynahe!

[69] DOMINIQUE S. Wie? Er steht auf, lehnt sich auf den Stuhl und fast seine Hand. Davon weiß ich nichts.

MADAM DOMINIQUE. Das muthete man Ihnen zu?

DAS KIND. Davon erzähle uns etwas!

DOMINIQUE V. Meinetwegen! Du kennst den Nachbar Hüllard – er hat den schönen Garten dicht neben mir.

DOMINIQUE S. Ein kalter, verlebter, verdrüßlicher Mensch, dieser Hüllard.

DOMINIQUE V. Mein Seele, das ist er! Der Mann hat mich nie leiden können –

MADAM DOMINIQUE. Giebt es Menschen, denen es möglich ist, Sie nicht zu lieben?

DOMINIQUE V. legt seine Hand auf ihre Stirne.

MADAM DOMINIQUE küßt sie.

DOMINIQUE V. Nun, dieser Hüllard – – – Er hält inne, und trocknet die Augen. Einen Augenblick nur –

DOMINIQUE S. Was ist Ihnen? Sie sind sehr gerührt –

DOMINIQUE V. Ey! du hast gut reden, du! Sechs Jahre lang hast du alle Tage den schönen Mund der lieben Seele da küssen dürfen. Aber ich, der ich sechs Jahre lang fast allein gelebt habe – mein Gott! wie wird mir, wenn so ein[70] schöner Mund mich liebevoll Vater nennt, und auf meine rauhe Hand sich neigt!

MADAM DOMINIQUE. Vater!

DOMINIQUE V. Das ists eben – Vater! – Wie lange habe ich das Wort nicht gehört! – Er sieht sie alle an. Nun, so umarmt mich alle dreye noch einmal – und recht von Herzen! Sie thun es. Kinder! ich werde wieder jung in euren Armen. – Gott sey dafür gelobt! Ach! wir können hier bessere Dinge thun, als von dem griesgramen Hüllard reden.

DOMINIQUE S. Wir müssen alles wissen, was mit Ihnen vorgegangen ist. Der kleinste Umstand ist uns wichtig.

DOMINIQUE V. Nun denn! Ich erwies: dem Hüllard alle nachbarliche Gefälligkeit; aber er konnte mich doch nicht leiden. In der ersten harten Zeit wollte man deine Entfernung von Paris übel deuten. Der Nachbar Hüllard brachte es gar dahin, daß man mich zuletzt für einen gefährlichen Mann hielt.

DOMINIQUE S. Bösewicht!

DOMINIQUE V. Ich sollte bedenkliche Correspondenz nach Deutschland führen – ich!

MADAM DOMINIQUE. Ist es möglich, daß man von Ihnen so etwas geglaubt hat?

DOMINIQUE V. O – unsre alte Magd, Frau Süsette – sie läßt dich grüßen, und Sie auch – recht herzlich grüßen.[71]

DOMINIQUE S. Ist sie gesund? die ehrliche Frau!

DOMINIQUE V. Munter und frisch. Nun, die ward gefährlich böse und wollte dem Hüllard dieß und das thun –

DOMINIQUE S. Das sieht ihr ähnlich –

DOMINIQUE V. Ich aber ärgerte mich nicht viel. – Das Meinige that ich ehrlich. Ich trank schlechtern Wein, aß ein Gericht weniger; davon brachte ich den Ertrag der Regierung dar. Ich zeigte alle deine Briefe vor, und eines Tages, wie sie meinen Stolz beleidigt hatten, da nahm ich eine Flinte, trat vor sie hin, und bat sie von ganzem Herzen, sie möchten mich unter den Veteranen des Vaterlandes aufstellen.

DOMINIQUE S. Mein ehrwürdiger Vater! Er kniet vor ihm nieder. Zu Madam Dominique. Und indeß lebten wir hier manchmal wohl in leichtsinniger Freude!

DOMINIQUE V. Allmälig gab es bessere Zeit. – Man ließ mich in Ruhe, – man billigte stillschweigend die Erhaltung meines einzigen heiratheten Sohnes durch die Flucht, und jetzt unter der milden Regierung habe ich die Erlaubniß, dich zu besuchen, auf ehrenvolle Art erhalten. Da, nun habt ihr meine ganze Geschichte. – Aber wo bleibt denn der Bruder Delomer? Aha, der gewiß der gräflichen Gesellschaft zur Seite![72]

MADAM DOMINIQUE. Er hat wohl noch Geschäfte mit diesen Leuten; aber was ihn jetzt abruft – ich sollte wohl von seiner Freude nichts ausplaudern – aber seine Geschäftigkeit macht mir eine so rührende Freude, daß ich es nicht über mich gewinnen kann, zu schweigen.

DOMINIQUE V. Sie müssen nichts verrathen – eine Ueberraschung lasse ich nicht verderben. Aber jetzt muß ich Herrn Delomer haben. Mein Seele! er muß daher kommen. Wir haben mancherley mit einander abzumachen. Kleiner, lauf hin, rufe mir den Bruder Delomer!

DAS KIND. Den gnädigen Großpapa? Ja, ich rufe ihn. Geht ab.

DOMINIQUE V. Der Mann ist so brav; warum will er doch mit Gewalt gnädig seyn?

DOMINIQUE S. Aus seinem Vaterlande verbannt – ergreift man ohne Wahl ein Spielwerk, sich zu zerstreuen.

MADAM DOMINIQUE. Seit der Vater aus deutschem Boden lebt, findet er einen eignen Genuß in dem unbeschränkten Herrschaftsrechte einzelner Gutsbesitzer.

DOMINIQUE S. Sein einziges Bestreben geht dahin, dieß Glück seinen Kindern zu hinterlassen.

DOMINIQUE V. Hm! Wunderlich, wenn er ihnen Geld hinterläßt –


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Das Erbtheil des Vaters. Leipzig 1802, S. 68-73.
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Revolutionsdramen: Figaro in Deutschland. Die Kokarden. Das Erbtheil des Vaters.

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