Achter Auftritt.

[211] Frau von Wallenfeld. Karl. Herr von Wallenfeld.


HERR VON WALLENFELD. Hast du gegessen, armes Weib? Er hebt Karl'n auf. An meinen Hals, Junge! Da ist Geld, Marie! Da, Karl, da hast du Geld! laß dir Spielzeug holen. Lustig, Marie – lustig! Ich muß gleich wieder fort; ich habe euch nur erst einmal wieder froh sehen wollen.

KARL. Da, Mutter, nimm du das Geld; du hast keines.

HERR VON WALLENFELD. Du sollst es behalten. Spiele damit, schenke es deinen Kameraden, laß dir Bilder holen – das Rad hat sich gedrehet. – Lauf hin, Junge, und sei fröhlich! Dein Vater ist lustig! Spring herum, Bursche, der Vater ist froh!

FRAU VON WALLENFELD. Was ist das? Wie soll ich mir das erklären?

HERR VON WALLENFELD. Glück, Wein und Liebe! Das Glück hat Geld gebracht, der Wein Verstand gegeben, Er umarmt sie. die Liebe kröne beides! Morgen gehen wir nach Aachen.

FRAU VON WALLENFELD. Deine Lustigkeit ist wild, sie erschreckt mich.

HERR VON WALLENFELD. Nichts davon! weg mit der Bedachtsamkeit! weg mit Wehmuth und Jammer! Wir werden reiche Leute. Der Wein hat mich klug gemacht, und gerecht gegen dich.

FRAU VON WALLENFELD. Höre mich an. So lange du traurig warst – –[211]

HERR VON WALLENFELD. Keine Moral! Sie macht Bettler, und zaghafte Bettler. Ich bin reich, seit ich fröhlich bin. –

FRAU VON WALLENFELD. Seit wann bist du fröhlich? Darfst du es sein?

HERR VON WALLENFELD. Ob ich es darf? Seufzt. Marie! Er gibt ihr die Hand. Liebe Marie! Er sieht sie eine Weile an.

FRAU VON WALLENFELD. Was hast du?

HERR VON WALLENFELD. Das mußt du nicht fragen. Jetzt nicht. Heftig. Aber das kann ich dir sagen, die Menschen sind Raubthiere. Alle, alle! – An mir haben sie genagt, so gierig, so grausam – daß du beinahe darüber verhungert wärest. Gutmüthig. Hast du denn gegessen, arme Marie? Es kommt gleich alles – es kommt auch Wein. – Wie geht dir's, armes Weib?

FRAU VON WALLENFELD. Du hast also wieder gespielt?

HERR VON WALLENFELD. Ja, gespielt habe ich. Es war meine Pflicht. Ich muß wieder haben, was mein war. Ich und du und Karl. Er umfaßt sie. Deine Wangen müssen ihre Farbe wieder haben, Anmuth und Wohlleben müssen wieder Grübchen bilden, das Lächeln muß die tiefe Spur der Thränen ausgleichen. Er küßt sie heftig. Darum habe ich gespielt. Was hast du dagegen?

FRAU VON WALLENFELD. Dein Gelübde.

HERR VON WALLENFELD. Der Hunger hat es gebrochen und die Schande. Sieh mich nicht zweideutig an. Die ganze Welt ist ein heilloses Kartenspiel, wo die gewinnen, welche die Karten ausgeben. Bei uns geht es nur geschwinder als im gemeinen Leben, das ist der ganze Unterschied zwischen dem Spieler am Pharotische und dem Spieler am Schreibtische.[212]

FRAU VON WALLENFELD. Da ist alles verloren, da ist keine Hoffnung mehr! –

HERR VON WALLENFELD. Weg mit der Hoffnung! da ist Geld!

FRAU VON WALLENFELD. Habe es, ich bleibe arm, lasse dich, nehme mein Kind, und folge meinem Vater.

HERR VON WALLENFELD. Ich verbiete dir das. Was ich bin, ward ich um deinetwillen. Dir muß mein Opfer zu gute kommen. Ich bin dein Herr. Du sollst gehorchen.

FRAU VON WALLENFELD. Der Ehre und Mutterpflicht gehorche ich und verlasse dich.

HERR VON WALLENFELD. Du darfst nicht von der Stelle.

FRAU VON WALLENFELD. Mein armer Vater hatte nur zu sehr Recht, ein Spieler wie du hört nie auf. Ich unglückseliges Weib!

HERR VON WALLENFELD. Hier ist Geld, und du sollst noch mehr haben – aber keine Thränen mehr! – Ich hasse die Thränen – wegkaufen will ich sie. Marie – erhebe dich zu meiner Stimmung – erhalte mich im Fluge – denn wenn ich jemals matt werde, so sind wir alle verloren.

FRAU VON WALLENFELD. Woher dieses Geld?

HERR VON WALLENFELD. Keine Frage! kein Nachdenken! immer fort! immer weiter! – Es lebe Posert und der Reichthum!


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 3, Wien 1843, S. 211-213.
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