Neunter Auftritt.

[213] Vorige. Sekretär Gabrecht. Hernach Jakob.


SEKRETÄR. Mein Herr Baron –

HERR VON WALLENFELD. Hinaus, falscher Spieler!

SEKRETÄR. Wie?

HERR VON WALLENFELD. Sieh, Marie, neben diesem bin ich ein[213] Engel. Das ist einer von den falschen Spielern am Schreibtische. Er geht ehrbar einher, er betet, und würde um die Welt keinen Groschen auf einen Pharotisch legen. Doch hat er mich um die Erbschaft gebracht. Still davon! Ja alter Mensch, du hast mir verdammt falsche Karten gegeben.

SEKRETÄR. Ich verstehe nicht –

HERR VON WALLENFELD. Es thut aber nichts, sollt Ihr wissen. Bald bin ich so reich wie Ihr. –

SEKRETÄR. Das wäre wohl zu wünschen –

HERR VON WALLENFELD. Nein, beim Teufel, das ist es nicht. Aber nöthig ist es – nöthig! Denn seht, hungern kann ich das Weib nicht lassen, verhungern kann mein armer Karl nicht. Hunger bricht alle Dämme, Hunger ist allmächtig! Das habt Ihr wohl gewußt, mein braver Vetter Fernau und Ihr. Zur Sache! Was wollt Ihr?

SEKRETÄR. Eine menschenfreundliche Proposition thun; allein Sie lassen mich nicht zum Worte kommen.

HERR VON WALLENFELD. So redet denn!

SEKRETÄR. Der Herr Lieutenant Stern sind über mich aufgebracht, weil mein Sohn ihm vorgezogen ist und Hauptmann wird. –

HERR VON WALLENFELD. So soll er Euch todtschlagen, oder Euren Sohn.

JAKOB bringt Wein.

SEKRETÄR. Ich habe Ihnen proponiren wollen – ob Sie nämlich –

HERR VON WALLENFELD. Gib Acht, jetzt mischt er die Karte.

SEKRETÄR. Da Sie doch nicht in guten Umständen sind –

HERR VON WALLENFELD. Ihr lügt – Hier ist Geld.[214]

SEKRETÄR. Ob Sie zu Ihrem Besten, und für Frau und Kind –

HERR VON WALLENFELD. Setze nicht auf diese Karte, Marie.

SEKRETÄR. Ob Sie –

HERR VON WALLENFELD. Schenk ein, Jakob!

SEKRETÄR. Ob Sie von mir etwas an Geld annehmen wollten; dagegen aber –

HERR VON WALLENFELD. Wein her!

JAKOB bringt ihn.

SEKRETÄR. Dagegen aber den Herrn Lieutenant disponiren, daß er Lieutenant bleibe, und meinen guten Sohn, ohne sich an ihm zu reiben, zum Hauptmann avanciren ließe?

HERR VON WALLENFELD. Nein.

SEKRETÄR. Ich wollte das Geld gleich zahlen.

HERR VON WALLENFELD. Nein, sage ich! Wir spielen um Geld, aber nicht um Ehrenstellen. Wein her! –

SEKRETÄR. Der Herr Lieutenant ist ein alter dürftiger Mann, dem mit der Hälfte von dem Gelde gedient wäre.

HERR VON WALLENFELD. Wer für Ehre dient, will Ehre. Ehre könnt Ihr meinem Schwiegervater nicht geben; wollt Ihr sie ihm nehmen, so breche ich Euch den Hals.

SEKRETÄR. Hm! mein gnädiger Herr, werden Sie nur nicht böse. – Sie treiben doch jetzt allerlei Hantirung.

HERR VON WALLENFELD. Dank's Ihm und dem Onkel sein böser Geist! – Aber sage Er Seinem Sohne, wenn er sich meinem braven alten Schwiegervater vordrängen wollte – so würde ich ihn aus dem Wege werfen.

FRAU VON WALLENFELD. Fritz!

SEKRETÄR. Herr Baron – Sie nehmen sich ja des Herrn Schwiegervaters gewaltig an.[215]

HERR VON WALLENFELD. Sein Kind habe ich ihm geraubt, und alle Vaterfreuden! Er steht am Grabe, und greift nach dem Schattenbilde der Ehre – Dies soll ihm werden, und sollte ich einen Gang auf Leben und Tod gegen den Räuber wagen, der ihm vorgreifen will.

FRAU VON WALLENFELD. Fritz – ich verzeihe dir alles! Sie umarmt ihn.

HERR VON WALLENFELD. Laßt Euch am Wucher genügen, und plündert nicht im Gebiet der Ehre.

FRAU VON WALLENFELD. Die Tochter weint Freudenthränen, der Schmerz der Gattin sei vergessen! Fritz, dein Herz ist doch gut. Nie will ich diesen Augenblick vergessen. Sie will ihn umarmen. Ich gelobe – dir –

HERR VON WALLENFELD hält sie zurück. Schwöre nichts – ich will dich nicht betrügen – fromme Seele.

SEKRETÄR. Wenn der Herr Baron anders noch zu der Pharotafel gelangen sollten, wo eben der reiche Pfarrerssohn in Compagnie ausgeplündert ist –

HERR VON WALLENFELD. Hinaus! Aus diesen Händen soll das arme Weib den Giftbecher nicht nehmen –

FRAU VON WALLENFELD. Fritz, Fritz! Um Gottes willen, was ist das?

SEKRETÄR. Ja, ja! Der Anwalt des jungen Menschen ruft wirklich die Polizei zu Hilfe; – und wenn des Herrn Onkels Excellenz noch barmherzig dazwischen treten sollen, daß das Skandal mit der Festung ein Ende hat –

HERR VON WALLENFELD. Hinaus, barmherziger Mörder! Ich habe mein Weib und Kind nicht geschont, wer hält mich, daß ich deiner schone –

FRAU VON WALLENFELD schließt ihn in ihre Arme.[216]

HERR VON WALLENFELD zu ihr. Sei ruhig. In einer Stunde reisen wir, Posert und ich – da ist Sündengeld. – Leert die Taschen auf den Tisch aus. Nimm es – nimm es nicht – folge uns – oder geh voraus – oder thu' es nicht – ich kann dir nicht rathen, kann dich um nichts bitten. Ich darf es nicht.

FRAU VON WALLENFELD. Ach gerechter Gott!

SEKRETÄR geht ab.

HERR VON WALLENFELD. Mit Fröhlichkeit habe ich dich hier wegschmeicheln wollen – ich habe dich betrügen wollen – es ist jetzt am Tage, du bist vielleicht dadurch gerettet. – Rathe dir nun selbst – ich darf es nicht – Aber mich laß fort; denn nun du alles weißt, kann ich deinen Blick nicht mehr ertragen. Will fort.

FRAU VON WALLENFELD hält ihn auf. Bleibe – höre mich. Gib das Geld zurück –

HERR VON WALLENFELD. Nein.

FRAU VON WALLENFELD. Laß mich es zurück geben.

HERR VON WALLENFELD. Nein.

FRAU VON WALLENFELD. Ich bin dein Weib, ich bin Mutter, höre meine Bitte! Fritz, dein guter Engel redet durch mich –

HERR VON WALLENFELD. Er ist von mir getreten.

FRAU VON WALLENFELD. Nein, nein, nein! Er faßt dich, er hält dich am Abgrunde, tritt zurück!

HERR VON WALLENFELD. Und bettle?

FRAU VON WALLENFELD. Erhalte dich bei der Tugend, erhalte deinen Sohn bei einem ehrlichen Namen. Sage, wohin soll ich das Geld tragen? Sprich! Der Augenblick ist fürchterlich. Rede! Wir wollen arm sein. – Ich bin ja reich genug, wenn ich dich als einen Tugendhaften umarme.[217]

HERR VON WALLENFELD. Es ist zu spät. – Mein Name ist unter den guten Menschen ausgestrichen.

FRAU VON WALLENFELD. Hier nur; aber die Welt ist groß, das Vaterland der Armen ist überall, und mit reinem Gewissen bringen wir an jeden Ort ein Kapital. Wem gehört das Geld? wohin soll ich es tragen? O rede doch, rede! Ich vergehe vor Angst.

HERR VON WALLENFELD. Ein entsetzlicher Augenblick hat das Los geworfen; ich habe mich selbst losgerissen von dir; fliehe mich, aber nimm das Geld.

FRAU VON WALLENFELD. Wohin soll ich es tragen – wohin?

HERR VON WALLENFELD. Ich habe dich retten wollen – und habe dich zu Grunde gerichtet – vergib mir, und laß dann das Schicksal seine Streiche vollenden. Er umarmt sie.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 3, Wien 1843, S. 213-218.
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