[32] Oberförsterin. Kordelchen von Zeck.
KORDELCHEN die mit einer Fächernüanze und einem familiären Kopfnicken grüßt. Guten Morgen, Frau Oberförstern.
OBERFÖRSTERIN mit einer altmodisch ehrerbietigen Verbeugung. Meine werteste Mademoisell – – ich – ich schäme mich wahrhaftig, daß ich noch nicht recht angezogen bin.
KORDELCHEN. Lassen Sie's gut sein. Sie wissen, ich bin nicht von Zerimonien und selbst noch nicht angekleidet. – Wo ist denn Monsieur Anton?
OBERFÖRSTERIN. Den hat mir der Alte wieder fortgeschickt.
KORDELCHEN. Apropos – – Ich muß Ihnen doch sagen, wenn die Manage zustande kömmt, so will mein Vater, durch eine sichre Konnexion in der Stadt, Ihrem Anton einen der ersten Dienste im Jagddepartement verschaffen.
OBERFÖRSTERIN. Meinem Anton? Was Sie sagen!
KORDELCHEN. Nur muß Ihr Mann meinen Vater in seinem[32] Geschäfte machen lassen und ihm nicht immer widersprechen. Sorgen Sie hübsch dafür, Mama – hören Sie?
OBERFÖRSTERIN. Ja liebes Mamsellchen, dabei kann ich nichts tun. Mein Kommando geht nicht weiter als von der Küche in den Krautgarten. Wenn ich mannichmal so in andre Sachen rede – so sieht er sich nur um! Dann weiß ich gleich, was die Glocke geschlagen hat. Ei, glauben Sie denn, daß ich nur für meine Küche Wildpret haben könnte, wenn ich wollte? Nichts – es täte oft not, ich kaufte welches.
KORDELCHEN. Der Mann tut sich mit seinem rauhen Wesen vielen Schaden – großen Schaden.
OBERFÖRSTERIN besorgt. Ich weiß wohl, aber – – Kind! Ich darf nur nicht sprechen. Mein Alter ist gar zu wunderlich.
KORDELCHEN. Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht – Wahrlich – es könnte ihm einmal übel bekommen.
OBERFÖRSTERIN. Das sollte ich denn doch nicht meinen. Alle Welt hat ihn lieb. In allen rechten Dingen ist er niemanden hinderlich, läßt sich's auch sauer werden bei seiner Arbeit; das werden der Herr Amtmann wohl selbst wissen.
KORDELCHEN. Mannichmal aber –
OBERFÖRSTERIN. Nun – man muß Geduld haben. Zeit und Stunde ist bei dem Menschen nicht gleich; wir wollen ja alle auch alt werden! Wenn Sie so was sehen, Kind, so reden Sie doch zum Besten. Ich tue das auch, soviel ich kann – schütte Wasser ins Feuer, wo ich es sehe. Es ist besser, denke ich, er brummt sich bei mir aus als bei andern – Ach – wenn ich ihn nur noch lange brummen höre!
KORDELCHEN. Diesen Abend ist Ball bei uns – ich freue mich recht darauf. Ich habe Lust zu tanzen. Ich bin heute recht dazu aufgelegt. – Daß Herr Anton uns nur nicht wieder so früh wegschleicht. Was gibt es denn sonst Neues?
OBERFÖRSTERIN. Neues? Apropos – meine Nichte ist heute aus der Stadt zurückgekommen –
KORDELCHEN. Heute? Ist denn heute der sechste?
OBERFÖRSTERIN. Freilich. Heute hat sie ja kommen sollen. Sie ist, gottlob, frisch und gesund.
KORDELCHEN. Das freuet mich – ich bin ihr recht gut. Sie geht ans Fenster. Es ist recht schlechtes Wetter. Der[33] Herr Förster werden schlechte Jagd haben. Es ist so neblicht, daß man kaum die Hand vor den Augen sieht.
OBERFÖRSTERIN. Das sagte ich auch; aber wie der Alte nun ist – Anton mußte mit Tagesanbruch fort.
KORDELCHEN. Ist sie hübsch?
OBERFÖRSTERIN. Friedrikchen?
KORDELCHEN. Ja.
OBERFÖRSTERIN. Hübsch? Ja, hübsch will gar viel sagen – aber sie ist ein artiges Mädchen.
KORDELCHEN. Es ist mir sehr lieb, daß sie wieder hier ist. – Sie hat in der Stadt singen gelernt?
OBERFÖRSTERIN. Das weiß ich wirklich nicht.
KORDELCHEN. Sie singt, ich weiß es gewiß, ganz gewiß. Fräulein von Rechennauer hat mir davon geschrieben.
OBERFÖRSTERIN. So muß sie es für sich gelernt haben; wir haben nichts dafür bezahlt.
KORDELCHEN. Aber ihr Klavierspielen soll besser, viel besser sein als ihr Gesang.
OBERFÖRSTERIN. Noch besser? Was Sie sagen! O erzählen Sie mir doch noch mehr – ich höre gar zu gern Gutes von dem Mädchen.
KORDELCHEN. Was ist denn aus ihrer Figur geworden? Sie war ein kleines Ding, als sie nach der Stadt geschickt wurde. Ist sie gewachsen?
OBERFÖRSTERIN. Denken Sie nur – einen ganzen Kopf beinahe.
KORDELCHEN. Nun, nun – warum nicht –
OBERFÖRSTERIN. Sie werden sehen.
KORDELCHEN. O ich glaube es gern. Was ich sagen wollte – – – sie kann ja diesen Abend auf unsern Ball geschickt werden; denn vermutlich wird sie auch wohl tanzen?
OBERFÖRSTERIN freudig. O ja – scharmant tanzt sie – Madam Schmidt hat es gesagt – scharmant!
KORDELCHEN. Für ein Mädchen von solchem Stande ist sie doch fast zu vornehm erzogen.
OBERFÖRSTERIN. Sie verlor ihre armen Eltern früh. Ich bin Pate zu ihr. Von Kindesbeinen an war sie gelehrig und brav; mein Mann hatte denn so seine Freude an ihr – darum haben wir getan, was wir konnten, ohne uns weh zu tun. Sie ist übrigens bescheiden und gut – und wir wollen auch nicht etwa hoch mit ihr hinaus.[34]
KORDELCHEN gleichsam zutraulich. Das ist auch das Allerbeste. Daher riete ich auch – doch ohne Ihnen vorzugreifen – sie ließe die Stadtkünste hier weg. Solche Dinge gehören in keine Landhaushaltung. Tanzen? – Je nun – Sonntags wohl, aber sonst wahrhaftig nicht. Das Singen sollten Sie ihr als unanständig verbieten –
OBERFÖRSTERIN. Ei, das Haus ist groß – die Kehle ist ihr. Wird es mir zuviel – so ziehe ich die Stubentür zu. Meine Buchfinken schreien den ganzen Tag, daß ich mein eignes Wort nicht höre; ich verbiete es ihnen doch nicht. Bei mir müssen Menschen und Vieh lustig sein; sonst sind sie krank, oder haben ein böses Gewissen.
KORDELCHEN. Nur alles mit Maß.
OBERFÖRSTERIN. Ja, das versteht sich.
KORDELCHEN. Solche Mädchen werden oft in der Stadt verdorben und machen nachher sich und ihre Männer auf immer unglücklich!
OBERFÖRSTERIN. Man hat der Exempel, o ja.
KORDELCHEN. – Wenn unter uns alles richtig ist – ich glaube, mein Vater schaffte dem Matthes einen guten Dienst – das wäre keine unebne Partie für Friedriken.
OBERFÖRSTERIN. Ei, wo denken Sie hin? Nein. Behüte uns in Gnaden! Matthes war sein lebelang ein schlechter Kerl.
KORDELCHEN. Bedenken Sie, was Sie sagen! Er trägt jetzt unsre Livree!
OBERFÖRSTERIN. Kind – Hübsch kann einen ein Rock wohl machen; aber ehrlich nicht.
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