Sechster Auftritt.

[16] Vorige. Sekretär Ahlden.


CHRISTIAN. Der Herr Sekretär Ahlden – befehlen Sie? –[16]

RUHBERG VATER. Ohne Verzug. Nur daher.


Christian ab.


SEKRETÄR. Werden Sie die Nachsicht haben, einen so frühen Morgenbesuch zu verzeihen.

RUHBERG VATER. Ich sehe Sie recht gern bei mir, Herr Sekretär.

SEKRETÄR. Das Ehrenvolle dieser Versicherung werde ich stets lebhaft empfinden. In diesem Augenblick war das Wort, das Sie gesprochen haben, so gar wohlthätig.

RUHBERG VATER. Setzen Sie sich, guter Ahlden. Sie setzen sich. Was bringt Sie zu mir?

SEKRETÄR. Kein gewöhnliches Geschäft.

RUHBERG VATER. Das scheint wohl so.

SEKRETÄR. Wie soll ich anfangen –

RUHBERG VATER. Geradezu. Ohne Eingang. Das bedarf es unter uns nicht.

SEKRETÄR. Wenn man eine ungünstige Antwort fürchtet, möchte man gern allen Einwendungen begegnet sein, ehe man den Antrag selbst gewagt hat.

RUHBERG VATER. Ich werde eine große Verlegenheit an Ihnen gewahr.

SEKRETÄR. O ja –

RUHBERG VATER. Nun, das muß unter guten Menschen nicht sein. Es mag sein, was es wolle – so hat Sie ja wohl, meine ich, ein gewisses Vertrauen in mich zu mir geleitet. Warum soll das verloren gehen, da wir nun einander gegenüber sind?

SEKRETÄR. Nein! Ich will hoffen! Sie werden mich nicht verwerfen.

RUHBERG VATER. Verwerfen?[17]

SEKRETÄR. Mit vollem Herzen bin ich gekommen – nun fehlen mir Worte. Ihr väterlicher Ton gibt mir Vertrauen – aber wenn ich nun reden will – so scheint mein Wunsch mir eine Vermessenheit. – Ach, ich werde ihn schlecht vortragen – sein Sie so gütig, ihn zu errathen. Nicht wahr, Sie sehen es mir an, daß Bescheidenheit mir für die Liebe keine Beredsamkeit verstattet?

RUHBERG VATER. Junger Mann –

SEKRETÄR. – Lassen Sie mich alles in einem Worte aussprechen. – Sie heißt – Louise!

RUHBERG VATER. Meine Tochter?

SEKRETÄR. Darf ich sagen – mein Vater? Ergreift seine Hand.

RUHBERG VATER steht auf. Ei, mein Gott!

SEKRETÄR betrübt. Sie sind erschrocken?

RUHBERG VATER. Ueberrascht – sehr überrascht!

SEKRETÄR. Also nicht dagegen? Dagegen doch nicht?

RUHBERG VATER unentschlossen. Nein.

SEKRETÄR küßt seine Hand. Gott segne Sie für dieses köstliche Nein!

RUHBERG VATER. Junger Mann, nicht so rasch, nicht so rasch. – Er setzt sich. Setzen Sie sich.

SEKRETÄR. Erlauben Sie, daß ich neben Ihnen stehe, zwischen Dank, Hoffnung, Thränen und Entzücken, wie könnte ich ruhen?

RUHBERG VATER. Vergönnen Sie mir einen Augenblick Ueberlegung! Eine kleine Pause. Ich bitte, setzen Sie sich. Er reicht ihm die Hand.

SEKRETÄR herzlich. Ja – oder Nein!

RUHBERG VATER. Die Sache ist ernst – nicht zu rasch![18]

SEKRETÄR setzt sich.


Pause.


RUHBERG VATER. Sie lieben meine Tochter, Sie lieben sie sehr, das freut mich; sie verdient es, daß ein so wackerer Mann sie liebt.

SEKRETÄR. Großer Gott, wie erheben Sie mich!

RUHBERG VATER. Sie haben mich vorhin gefragt, ob ich gegen diese Verbindung sei – ich sagte in der Ueberraschung – nein.

SEKRETÄR. Nur in der Ueberraschung?

RUHBERG VATER. Jetzt sage ich mit mehr Bedacht – mit allem Bedacht, dessen ich fähig bin – nein, ich bin nicht dagegen! Sie haben dieses Nein ein köstliches Nein genannt? Theuer wird es Ihnen; davon lassen Sie uns als ehrliche Männer ein Wort reden, ehe wir uns einer Herzlichkeit überlassen, die uns beide hernach bekümmern möchte.

SEKRETÄR. Reden Sie, gütiger Mann.

RUHBERG VATER. Gleich. – Was ich Ihnen sagen muß, fällt mir freilich etwas schwer. – Aber was es mich auch kostet, ich will ohne Rückhalt sein; das versprechen Sie mir auch.

SEKRETÄR. Ich verspreche es.

RUHBERG VATER. Es könnte wohl sein, daß, nachdem ich gesprochen habe, Sie zu mir nein sagen müßten; das soll und darf mich nicht befremden. Müssen Sie es, – so haben Sie den Muth es zu wollen; ich werde dann auch sagen, das war ein ehrliches, und also wahrhaftig ein köstliches Nein!

SEKRETÄR. Was lassen Sie mich erwarten?

RUHBERG VATER. Damit wir uns aber in dieser Sache beide eine Verlegenheit ersparen – so umarmen Sie mich, wenn Sie Nein sagen müssen und gehen Sie schnell fort. Wenn[19] wir uns hernach wieder begegnen, grüßen sich zwei Leute, die es beide mit einander gut gemeint haben.

SEKRETÄR. Es sei so. Aber nun vollenden Sie!

RUHBERG VATER. Sie sind ein junger Mann, dem es seine Lage zur Pflicht macht, dem Glücke einen Schritt entgegen zu thun.

SEKRETÄR. Thue ich nicht jetzt dem wahren Glücke einen vielleicht nur zu kühnen Schritt entgegen?

RUHBERG VATER. Ihr Verdienst muß Ihnen ein Vermögen verschaffen. Mein Haus ist nicht mehr, was es ehedem war – meine Tochter ist ohne Mitgabe. Das vertraue ich Ihnen an; und nun räth Ihnen meine Erfahrung, meine Theilnahme: – ziehen Sie Ihr Wort zurück – umarmen Sie einen Mann, der an Ihrem Glücke redlichen Antheil nimmt – sagen Sie: nein! und Gott sei mit Ihnen.

SEKRETÄR. Ihr Verlangen hat eine Umarmung in diesem Augenblicke zweideutig gemacht, und doch möchte ich den redlichsten Mann an mein Herz drücken. Nur ein Wort dann: – daß meine Louise ohne Mitgift ist, habe ich gewußt, ehe ich gekommen bin!

RUHBERG VATER. Das haben Sie gewußt?

SEKRETÄR. Von Louisen selbst.

RUHBERG VATER. Das freut mich. So habe ich nichts mehr zu sagen. – Sie beharren? – So kommen Sie, daß ich Sie an mein Herz drücke.

SEKRETÄR umarmt ihn herzlich.

RUHBERG VATER. Gott segne Sie, mein geliebter Sohn!


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 2, Wien 1843, S. 16-20.
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