Abbitte

[98] Der du von deinem Himmel droben

Mit güt'gem Aug' und mildem Lächeln

Der Menschen ungezählte Thorheit schaust,

Verzeihe mir, allgüt'ger Vater![98]

Verzeih' die Thorheit mir, die ich beging,

Da ich einst sprach: Ich will nicht lieben.

Verzeih' die Thorheit mir, die ich begehe nun,

Da ich gestehen muß: ich lieb', ich liebe!

Da alles in mir wiederklingt von Liebe,

Und ich herzkrank und elend

Und doch selig bin durch Liebe.

Wohl ist sie, die ich lieb', von jenen keine,

Die mit ihren Gaben prunkend glänzt,

Und deren Schönheit wie ein Rufer unter Trommelschlag

Vorgeht und ausruft:

Kommt, kommt her und huld'get mir!

Die ich verspottet habe tausendmal

Mit deinem Wohlgefallen, Herr,

Die man bewundern mag, doch nimmer lieben.

Nein, die ich liebe, ist von seltner Art,

Ist eine von den Blumen, denen du

Das himmlische Geheimniß hast gegeben,

Daß sie mit ihrem Reiz entzücken müssen,

Ganz ihrer eig'nen Schönheit unbewußt,

Und strahlen doch in Blüthenduft und Anmuth.

Ja so ist sie

Von zaubervollem Anmuthduft umflossen,

Von unbewußtem Liebreiz und so schön,

Daß auch, wenn sie zu lieben Thorheit wär',

Du diese schon im Voraus hast vergeben,

Daß ob der Thorheit aber, Herr, sie nicht zu lieben,

Du zürnen müßtest für und für.[99]

Und also bin ich fromm

Und liebe sie mit nie geglaubter Gluth,

Und liebe sie mit nie empfund'ner Lust

Und mit dem ganzen Heer von Qual und Plagen,

Das so getreulich einer treuen Liebe folgt,

Als wie ein Bienenschwarm der Königin,

Doch so verschönend folget treuer Liebe,

Als wie der Abendstern dem Mond,

Wann er die stillen, blauen Pfade wandelt.


Quelle:
Leopold Jacoby Es werde Licht! München 1893, S. 98-100.
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