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[129] »Ich war einmal in der Lage Ihnen einen Gefallen erweisen zu können, üben Sie jetzt Vergeltung«.

Der große schwarzlockige Mann, der sich träg in einem Sessel schaukelte, lachte.

»Aber gewiß, Tage. Sagen Sie nur Ihren Wunsch. Wenn ich kann, erfülle ich ihn gern«.

Tage sah sich einen Augenblick in dem luxuriösen Herrenzimmer um, dann sagte er nachlässig. »Sie geben nächste Woche ein Fest. Laden Sie eine junge, hübsche, begabte Schriftstellerin, die mich interessiert, mit ein. Ich möchte das Mädchen gern unter die Menschen bringen«.

»Sie Tausendsassa! Und wenn die Baronin kommt?«

»Die kommt nicht, lieber Klingenberg. Seien Sie außer Sorge«.

Der Mann mit den dunklen Locken nickte.[129]

»Va bene; aber mit wem soll die Dame kommen? Sie wissen, ich stehe über all diesen Formalitäten, aber meine Frau ist darin etwas peinlich«.

»Dürfte Frau Wewerka sie herbringen?«

Klingenberg sprang auf. »Um Gotteswillen! Er hat sich durch seine letzten Schwindeleien ganz unmöglich gemacht; sie, na, da brauchen wir keine Worte zu verlieren«.

Tage zuckte die Schultern. »Nun, dann kommt Fräulein Grün allein. Sie als fremde, hier zugereiste Dame darfs ja«.

Klingenberg nickte. »Gewiß; übrigens, es werden ja mehr Leute da sein; sie wird nicht sitzen bleiben; überdies, Sie kommen ja auch«.

»Natürlich« sagte der Poet. Er stand auf und reichte dem Andern die Hand. »Also abgemacht und Dank«.

»Soll ich sie persönlich einladen?«

»Nicht nötig« meinte Tage, »ich bringe sie einfach Sonnabend her«.

»Gut«.


Alfred Klingenbergs Salon war eine bekannte Versammlungsstätte aller Künstler. Hier gingen Maler, Bildhauer, Dichter und Kritiker aus und ein.

Viele kamen nur des guten Essens wegen, Andere der Bekanntschaften wegen, die man da machte, wieder[130] Andere, um Käufer oder Interessenten für ihre Kunstschöpfungen zu finden. Alfred Klingenberg und Frau, die beide selbst auf allen Kunstgebieten herumtasteten, wollten durch die Künstler, die sie um sich versammelten, wenigstens indirekt mit Frau Kunst verkehren. Er besorgte selbst die Delikatessen, die er seinen allezeit hungrigen und durstigen Gästen vorsetzte. Es war dem Ehepaar lange ein großer Schmerz gewesen, daß Professor Kneilenbregg, der »große Mann«, wie ihn Lohringer nannte, nicht zu der Schaar seiner Stammgäste zählte. Eines Tages, als wieder die Rede darauf kam, warf sich Tage, der als Liebling Kneilenbreggs galt und viele Vorteile von Klingenbergs zog, stolz in die Brust und versprach, mit ihm zu reden. Und in der nächsten Sonnabendgesellschaft brachte er den Gefeierten, Langersehnten mit. Das wars, worauf Tage vorhin anspielte.


Mit einem Siegerlächeln um den wenig anmutigen Mund ging er von Klingenberg nach der Redaktion eines lyrischen Käseblattes, wo die Dichter ihre Photographien in Geldnoten eingewickelt hinsandten, um sich an der Spitze des Blattes klischiert zu sehen, warf Johannes Bogen auf den Tisch und sagte zu dem überaus zuvorkommenden Redakteur:

»Du, Flick, hör mal. Laß das Zeug da abschreiben und brings, wenn möglich, in der übernächsten Nummer.[131] Ich hab der Dichterin die Arbeit schwer bezahlt, will aber nichts von Dir dafür. Man muß auch ideal sein können. Apropos, den Reklameartikel über Eure Zeitung habe ich schon fast fertig. In einigen Tagen geht er ab. Adieu, also!«

»Sei unbesorgt«.

Die beiden schüttelten einander die Hände.[132]

Quelle:
Maria Janitschek: Ninive. Leipzig 1896, S. 129-133.
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