Zweiter Auftritt.

[11] Hochfeld. Eulalia. Regine.


EULALIA. Bon jour, mon mari!

REGINE. Bon jour, cher oncle!

HOCHFELD. Gott grüße euch, meine Lieben! Wo wart ihr?

EULALIA. Auf unseren Boudoirs, wir haben uns, wie du siehst, bereits in Staat geworfen, um unsere Gäste würdig zu empfangen – oh mon mari, ich kann dir gar nicht sagen, wie froh gestimmt ich mich heute fühle –

HOCHFELD. Es hat doch niemand von den Geladenen absagen lassen?

EULALIA mit Stolz. Absagen? Wenn wir ein Fest geben – wo denkst du hin! Sogar der Graf von Flambourg, welcher sonst so selten Invisationen annimmt, hat zugesagt.

HOCHFELD freudig. Hat zugesagt – hat zugesagt?! – Herrlich! herrlich. Das gibt unserem Feste wieder ein ganz eignes Lüster – man wird in der ganzen Stadt sprechen davon –

REGINE. Und der Bankier von Wellenschlag kommt auch.

HOCHFELD. Der reiche Bankier von Wellenschlag, der Gläubiger der höchsten Häuser, der Tonangeber auf der Börse – scharmant – scharmant – Für sich. dem Himmel sei Dank, diese frohen Nachrichten verwischen in meinem Innern wieder die so unsanft aufgerüttelte Erinnerung an die Fleischbank.

REGINE. Sein Sohn, der junge Wellenschlag, hat ihn dazu beredet –

HOCHFELD sie fixierend. So – der junge – der Robert von Wellenschlag – na – und diesen – hast wohl du selbst mündlich eingeladen –

REGINE mit koketter Verschämtheit. Mon cher oncle!

HOCHFELD sie in die Wange kneifend. Nu, nu, brauchst dich nicht zu schämen, liebe Nichte, der Monsieur Robert ist zwar etwas Wildfang, kann sich das vornehme Wesen nicht recht aneignen, aber die Verhältnisse seines Vaters machen mir selbst eine Verwandtschaft mit ihm wünschenswert – wir haben nichts gegen deine Neigung – Zu Eulalia. nicht wahr, mein Schatz?[12]

EULALIA. Au contraire – ich finde sie sehr plausibel! Aber wenn nur der alte Wellenschlag – er ist etwas stolz – und du weißt – dein Bruder, Reginens Vater –

HOCHFELD mit finsterer Stirne. Ja leider – der dürste einen Stein des Anstoßes bilden. – Sieht sich wieder um, dann mit leiser Stimme. Wir sind allein, also können wir wohl darüber sprechen. – Leider scheint mein Bruder das ganze ordinäre Blut meiner Familie in seinen Adern aufgenommen zu haben. Während ich schon in meiner Kindheit das kühnste Streben nach einer erhabenen Stellung in der Welt entwickelte, gefiel er sich in seiner bäurischen Gehäbigkeit – ich widmete mich dem Handelsstande – er wurde – Viehhändler, lebt da in Österreich auf seinem Meierhofe, seine Frau war eine ordinäre Pächterstochter, er selbst ist mehr Bauer als Mensch – und wenn nun die Familie Wellenschlag dahinter kommt –

REGINE. Ich bin dein schon zuvorgekommen – und sagte, mein Vater wäre – Gutsbesitzer in Österreich.

HOCHFELD. Gut gegeben, mein Kind, sehr gut gegeben –

EULALIA. Na ja, im Grunde ist doch ein Meierhof auch ein Gut. –

HOCHFELD. Jawohl, und es gefällt mir sehr von Reginen, daß sie so klug gesprochen – ja, sie hat denn doch seit den zehn Jahren, als wir sie zu ihrer weiteren geistigen Ausbildung von dem Meierhofe ihres Vaters weg, sozusagen mitten aus den Kälbern heraus, und in unsern vornehmen Zirkeln hineingezogen haben, eine gewisse Routine in der Noblesse erlangt –

EULALIA. Ach sie hat ein besseres Los getroffen, als unsere eigene Tochter Klotilde – sie lebt nun – ich schaudere jedesmal, wenn ich nur daran denke, schon seit zehn Jahren bei deinem Bruder unter dem Bauernvolke –

HOCHFELD seufzend. Leider! Indes – was war zu tun, ihr Brustleiden wurde damals so gefährlich, daß die Ärzte dasselbe nur durch einen mehrjährigen Aufenthalt [für] heilbar erklärten – nun Gott sei Dank – sie soll sich jetzt ganz wohl befinden.

EULALIA. Mein Gott, körperlich ja, aber daran liegt im Grunde weniger, etwas kränklich sein, gehört sogar zur[13] Noblesse, aber die santé spirituel! – O mein Gott, ich zittere, wenn ich daran denke welch nachteiligen Einfluß diese zehn, unter dem Bauernvolke zugebrachten Jahre auf sie hervorgebracht haben müssen!

HALLER tritt ein, Schriften unter dem Arme tragend.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Stadt und Land oder Der Viehhändler aus Oberösterreich. Leipzig [1905], S. 11-14.
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