Dritter Auftritt.

[14] Die Vorigen. Haller, dann Herr von Hupfer. Später Jakob, Robert von Wellenschlag, Glatt. Zuletzt Faustin, Sebastian hinter der Szene.


HALLER. Herr von Hochfeld!

HOCHFELD. Ah, mein Kassierer – nun, was gibt's, lieber Alter?

HALLER. Darf ich nur um wenige Worte bitten.

HOCHFELD. Mein Himmel! Ich will von meinen Geschäften eigentlich nur so lange sprechen hören, als ich in meinem Bureau bin – was soll's denn wieder? Er tritt verdrießlich zu ihm.

HALLER. Nach diesem Auszuge aus unsern Büchern ist ersichtlich, daß morgen mehrere von uns akzeptierte Wechsel im Betrage von sechzigtausend Gulden fällig, und uns zur Auszahlung präsentiert werden –

HOCHFELD. Nun, so müssen sie saldiert werden, was weiter?

HALLER. Es ist aber nicht so viel bares Geld in der Kasse.

HOCHFELD. Was? – Aber wir haben doch auch Gelder einzutreiben – bedeutende Summen.

HALLER. Jawohl, wir haben einen Wechsel auf das Haus Mirheim in Händen, der morgen fällig ist – im Werte von achtzigtausend Gulden.

HOCHFELD. Nun also – der wird einkassiert, und wir sind gedeckt – was weiter?

HALLER. Aber, Herr von Hochfeld, wenn nun das Haus Mirheim nicht zahlte –

HOCHFELD. Nicht zahlte – nicht zahlte – ein Haus, mit dem wir schon lange in Geschäftsverbindung stehen – ich begreife gar nicht, wie Sie solche Besorgnisse hegen können.

HALLER. Aber es ist doch nicht gut, wenn man nur mit einer Hoffnung gedeckt ist; sehen Sie, Herr von Hochfeld – Ihre Handlung könnte längst auf dem Punkte stehen, daß auch das mögliche Ausbleiben einer solchen Summe Sie nicht[14] in Verlegenheit setzen würde, aber freilich müßte dann die Führung Ihres Hauswesens nicht solche Summen verschlingen.

HOCHFELD gereizt. Herr, ich glaube gar, Sie unterstehen sich da, mir Ermahnungen geben zu wollen, vergessen Sie gefälligst nicht, daß ich der Herr bin, und Sie mein Diener sind.

HALLER. Ja, ein in seinem Dienste ergrauter Diener, den die Erfahrung lehrte, daß der äußere Glanz, durch den so manches Handelshaus Aufsehen macht, dem Leuchten des Holzes gleicht – welches auch dann am meisten glänzt, wenn es vermodernd seiner baldigen Auflösung entgegen geht. Recht gute Unterhaltung, Herr von Hochfeld, auf dem heutigen Ballfeste! Er geht kopfschüttelnd ab.

HOCHFELD ihm verdrießlich nachsehend. Das alte Murmeltier! – Beim Himmel! wenn es nicht so gut im Geschäfte dressiert wäre, ich hätte es längst laufen lassen – stets bringt mich der Mensch durch seine Predigten um meine gute Laune.

HERR VON HUPFER öffnet die Tür, und bleibt unter derselben erwartend stehen.

EULALIA ihn erblickend. Ah! unser aimabler Herr von Hupfer –

HUPFER in höchst eleganter Toilette, hüpft herein, und auf sie zu, ihre Hand wiederholt küssend. Euer Gnaden, Ihr Untertänigster! Ein Gleiches bei Reginen tuend. Mein Fräulein! Ich würde mir's zum größten Vergnügen rechnen, zu Ihren Füßen sterben zu können. Zu Herrn von Hochfeld, ohne sich von den Damen, welche während der vorigen Szene auf dem Diwan Platz genommen haben, zu entfernen. Herr von Hochfeld! Ihr Ergebenster! – Sie entschuldigen sämtlich, daß ich mich nicht anmelden ließ, aber ich liebe es, in allem etwas originell, etwas apart zu sein, und mich ärgert's immer, wenn ich meinen guten Namen erst durch die rauhe Kehle einer livreetierten Ansagemaschine schnarren lassen muß.

EULALIA. Sie sind uns auch unangemeldet stets willkommen!

HUPFER. O, Euer Gnaden sind die verkörperte Liebenswürdigkeit – und Sie, Fräulein Regine, wünschen Sie mich immer erst angemeldet zu hören, oder hat sich vielleicht doch in Ihrem Herzen endlich ein ahnendes Gefühl eingeschlichen, welche Ihnen in heiliger Sympathie mein Nahen verkündet?[15]

REGINE. Meine Gefühle sind sämtlich anderweitig so beschäftigt, daß keines davon unsern Bedienten in seinem Dienste ablösen kann.

HUPFER. O, welche Kälte, mein Fräulein! Bedenken Sie, daß mein Herz eine tropische Pflanze ist, welche nur unter erwärmenden Strahlen gedeiht.

REGINE zu sich. Fader Geck! Ich höre Schritte – was gilt's – Robert –

JAKOB öffnet die Türe. Herr Robert von Wellenschlag und Herr Glatt.

HOCHFELD. Ich lasse bitten.

JAKOB geht ab.

REGINE. Hab' ich's nicht erraten?

HUPFER. O, tausend Dolche drücken Sie mir mit diesem Erraten in das wunde Herz!

ROBERT UND GLATT treten zugleich ein.

GLATT verneigt sich vor den Damen und geht zu Hochfeld. Achtzig, drei Viertel!

ROBERT verneigt sich vor den Damen. Guten Abend, Frau von Hochfeld, recht guten Abend, Fräulein Regine.

EULALIA hält ihm die Hand zum Kusse hin. Sein Sie mir herzlich willkommen, lieber Herr von Wellenschlag.

ROBERT faßt ihre Hand, küßt sie aber nicht, sondern schüttelt sie etwas derb. Danke, ja, wenn ich nicht im voraus wüßte, daß ich willkommen bin, so käme ich gar nicht – Er faßt Regine bei der Hand und spricht mit ihr leise.

EULALIA wendet sich um, und spricht zu dem hinter dem Diwan stehenden Hupfer. Ein recht lieber Mensch, der junge Wellenschlag, aber etwas mehr Lavoir vivre könnte ihm nicht schaden.

HUPFER leise zu ihr. Ein wahrer Klotz, besonders auf einem Balle ganz zweckwidrig – er tanzt nicht, spielt nicht – sondern steht einem nur überall im Wege – Er spricht leise fort.

HOCHFELD zu Glatt. Es ist aber doch erstaunlich, wie schnell diese Aktien sinken.

GLATT. Es geht ihnen wie den Menschen, diesen lebendigen Aktien auf der Börse des Lebens, ihr Steigen und Fallen hängt sehr oft von Zufällen ab.[16]

HOCHFELD. Aber Sie haben doch dabei nichts verloren?

GLATT. Gott bewahre – man muß nur zur rechten Zeit zu verkaufen wissen – ich behandle meine Aktien, wie ein türkischer Sklavenhändler seine Frauen, ich kaufe sie in ihrer Jugend, wenn ein schönes Aufblühen zu erwarten steht, um billigen Preis, und verkaufe sie teuer, sobald sie, vollkommen aufgeblüht und herangewachsen, das Auge des Lüsternen reizen – da ich wohl weiß, daß die Schönheit und die Aktie dem Sinken um so näher ist, je vollkommener sie bereits herangewachsen ist.

HOCHFELD lächelnd. Sie werden witzig, wie ich merke, Herr von Glatt.

GLATT sich lachend verneigend. Börsenwitz! Teuerster! Börsenwitz! Es gibt jetzt auf der Börse sehr viele witzige Leute. Wie andere, wenn eine Leiche vorbeigetragen wird, ein Parfümfläschchen an die Nase setzen, so macht der echte Börsianer, wenn ein anderer Spekulant durch seinen Sturz zur kommerziellen Leiche wird, ein Bonmot, und reibt es wie ein Pfefferminzblatt seinen Kollegen unter die Nase – hahaha! Das war eigentlich schon wieder ein Bonmot.

EULALIA zu Robert. Ihr Herr Vater wird uns heute auch die Ehre seiner Gegenwart schenken?

ROBERT. Ja – Fräulein Regine wünschte, daß ich ihn einmal hier im Hause einführe –

REGINE. Ich freue mich, den Mann kennen zu lernen, den Sie so innig lieben – und welcher den bedeutendsten Einfluß auf Ihr Lebensglück hat.

HUPFER Robert mit wütenden Blicken ansehend. Ich vergehe!

ROBERT. Ja, sehen Sie, liebes Fräulein! Ob der Einfluß, den mein Vater auf mein Lebensglück hat, eben ein günstiger ist, das weiß ich nicht.

EULALIA UND REGINE. Wieso?

REGINE. Er will Sie doch nicht am Ende zu einer Vermählung zwingen, von der Ihr Herz nichts wissen will –

ROBERT. O, das nicht – an meine Vermählung denkt er so wenig, als ich vor der Hand selbst.

REGINE gedehnt. So?

ROBERT. Aber, sehen Sie, er will mich durchaus zu einer sogenannten schönen Stellung in der Welt bringen, er bietet[17] alles auf, um mich in irgend einem Bureau an einen Aktentisch zu schmieden – und – das fühle ich, in einem solchen Beruf werde ich nicht glücklich sein! Ich schätze den Reichtum nur in der einen Hinsicht, daß man durch ihn unabhängig bleiben kann, was nützt mir aber mein Vermögen, wenn ich dabei doch ein Sklave werden soll – aber von solchen Ansichten will er nichts hören – im Gegenteile, er, der sonst die Bequemlichkeit und Ruhe so sehr liebte, macht nun alle möglichen Schritte, drängt sich an alle Personen, von denen er irgend einen Einfluß hofft, ja – auch den heutigen Ball in Ihrem Hause besucht er nur deshalb, weil er hörte, daß der Graf Flambourg ihn besucht.

EULALIA. Sehr schmeichelhaft für uns –

ROBERT für sich. Das war wieder dumm! Laut. Das heißt – ich wollte sagen – der Ball dient ihm nebenbei als Mittel, die Bekanntschaft des Herrn Grafen zu machen, denn er schätzt allerdings Ihr Haus an und für sich, namentlich seit ich ihm sagte, daß Herr von Hochfeld aus einer sehr bedeutenden Familie stamme – und so ist's auch – nicht wahr, Herr von Hochfeld. Zu Hochfeld, welcher inzwischen mit Glatt näher getreten war. Sie sagten mir letzthin schon, woher Ihre Familie stammt, aber weiß Gott – ich habe ein so schlechtes heraldisches Gedächtnis –

HOCHFELD. Meine Familie – ja, meine Familie – mein Vater – er war ein podolischer Edelmann – es ist eine sehr alte Familie –


Man hört im Vorzimmer sehr lebhaft sprechen.


ALLE. Was ist das?

FAUSTIN. Ich darf solche Leute nicht hineinlassen.


Von außen.


SEBASTIAN. Goldbeschlagener Hohlkopf – wannst mir nit aus 'n Weg gehst, so kriegst einen Schupser –

FAUSTIN. Niemand darf hinein, den ich nicht melde –

SEBASTIAN. Du wirst gleich selber deine Seel' bei unsern Herrgott anmelden, Schafhirn!


HOCHFELD erschreckt, für sich. Gott! welche Stimme!

SEBASTIAN, APOLLONIA UND KLOTILDE alle drei in der reichen Bauerntracht Oberösterreichs.

FAUSTIN der sie an der Tür zurückzuhalten sucht.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Stadt und Land oder Der Viehhändler aus Oberösterreich. Leipzig [1905], S. 14-18.
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