Vierter Auftritt.

[18] Die Vorigen. Sebastian. Apollonia. Klotilde. Faustin.


SEBASTIAN stößt Faustin ins Zimmer hinein. I wer do nit bei mein leiblichen Brudern ang'meldt wern müssen?

REGINE springt auf und bleibt wie angefesselt stehen. Mein Vater!

HOCHFELD erstarrt. Er ist's – mein Bru –

EULALIA welche vom Sitze aufgefahren. Ich falle stehend in Ohnmacht!

FAUSTIN. Jetzt kommt's auf, daß beim Kaffee Zichorie ist!

SEBASTIAN mit ausgebreiteten Armen auf Hochfeld zugehend. Grüß dich Gott, Blasi! Gelt! das hast dir nicht denkt, daß d' mi heut no siehst – i selber hätts vorgestern no nicht denkt – aber wie wir drei so beieinander g'sessen sein und überlegt habn, was wir dir zu dein Geburtstag für a besondere Freud machen sollen, ist's mir auf einmal eing'fallen, wir wollen alle drei zu dir nach Wien. Glei han i meine Bräunl einspanna lassn, g'fahren sein wir, daß 's g'raucht hat – und – da sein wir!

FAUSTIN. Ist uns ein unendliches Vergnügen.

HOCHFELD sich den Schweiß von der Stirne trocknend. O – das – das freut mich – unendlich –

SEBASTIAN. Hansnarr! Das versteht sich ja von selber – wir habn uns ja zehn Jahr nicht g'sehn. – Jekas! Eulalia erblickend. Da ist ja d' Frau Schwagerin! Grüß Ihnen Gott! Lassens Ihnen a Bußl geb'n!

EULALIA zurückweichend. Wo denken Sie hin – die Schicklichkeit –

SEBASTIAN. Ja so – 's fallt mir grad ein, dös geht nicht – 's könnt von der teuern Farb was abagehn. Auf die Wangen deutend.

EULALIA. Ich bekomme meine Sapeurs!

SEBASTIAN lachend. Na, na, ich bin schon stad!

HUPFER hat sich zu Hochfeld vorgeschlichen. Dies ist also Ihr Herr Bruder?

HOCHFELD schwer. Ja!

HUPFER. Vermutlich ein Podolier?

SEBASTIAN. Was – was ist das? Ich kenn wohl podolische[19] Ochsen und Schwein, aber ich und mein Bruder, wir sein gute Österreicher von Alterszeiten her – aber sapperlot – weil ich grad von der Freundschaft red, wo ist denn mein Dirndl, die Regerl? Ists nit daham?

REGINE hat sich erst gesammelt und mit einer Mischung von Verlegenheit und affektierter Liebe küßt sie ihm die Hand. Papa –

SEBASTIAN beinahe erschrocken. Was – ich will nicht hoffen –

HOCHFELD. Ja, das ist deine Tochter –

SEBASTIAN. Also wirklich – auf Ehr', i hätts eher für a Mamsell als für mei Tochter ang'schaut – so kurios z'sammg'statzt ists – Beinahe traurig. also wirklich? – – Sich ermannend. Aber was! Aufs Äußre kommt's ja nit an! Er umarmt Regine heftig. Komm her, Dirndl! Er faßt sie um die Taille und schwingt sie im Kreise herum. Juhe! bist mein Kind, und wannst auch noch a vertrackteres Glüftl anhätt'st –

EULALIA sich setzend. Ich verliere meinen Schwindel gar nie mehr.

FAUSTIN zu ihr. Ich versicher Euer Gnaden – mit mir dreht sich auch schon alles um und um.

SEBASTIAN. Aber sackerlot, was wär denn das Kinder, was verkriechts eng denn, als wanns nit zu mir, nit zu der Familie g'hörets. Da schau her, Blasi, das kernige Weiberl schau an – das ist mein Weib, a kreuzbraves wirtschaftliches Weiberl.

HOCHFELD. O – freut mich – werte Bekanntschaft, ja du schriebst mir, daß du zum zweitenmal geheiratet hast.

SEBASTIAN. Freili – Gott sei Dank, wann i a schon an Fünfziger und a wengel drüber am Buckel hab, mein Herz is noch alleweil jung, und zu meiner Wirtschaft is a bravs Weib a wahrer Segen. Aber, schlafferment, da ist ja noch wer – Auf Klotilde deutend. Blasi – Schwagerin wird eng denn nit ganz entrisch, das ist die Tildi, enger Tochter – enger Kind.

HOCHFELD. Unsere Tochter!

FAUSTIN. Jekus. Wie haben's denn die ang'legt.

KLOTILDE von diesem Empfang überrascht, bleibt erschrocken stehen.

SEBASTIAN. Gelts – so frisch hätts engs nit denkt? – A wahrs Engerl, und gut – na schon wie gut!

EULALIA. Aber dies Kleid – dies Kostüm.[20]

SEBASTIAN. A was – 's kost mir nit so viel –

EULALIA. Ist denn Fasching, daß meine Tochter en masque kommt?

SEBASTIAN. A beileib'! So geht's jahraus, jahrein!

HOCHFELD. Aber Bruder, wie kannst du –

SEBASTIAN. Na, wie soll's denn gehn? Epper wie Auf Regine zeigend. die da? Hahaha! Da wurden bei uns daham d' Küh' rebellisch.

FAUSTIN. Was liegt dran, wann die Küh' rebellisch werden? Besser doch, als wann hier die Hautevolee drüber rebellisch wird.

SEBASTIAN. Das ist unsere – d' echt östreichische Tracht! Blasi! Blasi! nur nit so hochnaset – denk' nur, unser Vater war ja auch nur a –

HOCHFELD nur, um ihn schnell zu unterbrechen, ihn mit gemachtem Entzücken umarmend. O Bruder! Bruder! Du hast mir eine Freude gemacht –

SEBASTIAN. Na, das hab' ich ja ehender g'wußt – na Tilderl, gib dein Vater a Bußl.

KLOTILDE will Sebastian küssen. O mein! wie gern!

SEBASTIAN sie abwehrend. Ho ho! 's Dirndl wird damisch, weil's mi daham allweil ihren Vatern nennt – nein! Ich mein', dein rechten Vatern!

KLOTILDE küßt schüchtern Hochfeld. Verzeihen, i bin irr worn!

SEBASTIAN. So – und jetzt d' Frau Mutter!

EULALIA ihr vornehm die Hand hinhaltend. Schon gut, schon gut.

SEBASTIAN. Ja schauts, enger Vornehmigkeit hat meine Leut' ganz aus der Schanier bracht. Apel! Was redst denn du nit –

APOLLONIA. Ich trau' mich nit.

SEBASTIAN. Was gibst denn dein Schwager nit d' Hand –

APOLLONIA. Ich trau' mich nit.

FAUSTIN. O Gott! die traut sich nicht – mit der werd' ich anbandeln!

SEBASTIAN sieht sich um. Aber verzeih mir, Bruder! Zu den andern. Und Sie, meine Herrn, verzeihen's auch – in meiner ersten Freud' hab' ich gar nicht g'merkt, daß wir da d' ganze vornehme G'sell schaft g'stört hab'n – aber nit wahr, der Bruderlieb wird man das schon nachsehn![21]

ROBERT. Gewiß, Sie glauben gar nicht, lieber Herr! wie wohl in dieser Welt voll Masken und Larven der Anblick eines so wahren und ungeschminkten Gefühles tut. Er drückt ihm die Hand.

SEBASTIAN. Ich versteh' das, was g'sagt haben, nicht so ganz, aber Sie sehen dabei recht brav aus. Er erwidert lebhaft seinen Händedruck.

HUPFER sich ihm sehr einschmeichelnd nähernd. Es ist ein ganz eigentümliches Gefühl, den Mann persönlich kennen zu lernen, dessen Abbild Auf Reginen blickend. man schon längst bewundert hat.

SEBASTIAN. Das versteh' ich schon gar nit, und, nehmens mir's nicht übel, aber Sie schauen auch dabei nit so aufrichtig aus!

HOCHFELD. Wie lange denkst du denn hier zu bleiben?

SEBASTIAN. Drei Tag – es kommen derweil meine Kalblwagen a no an!

HOCHFELD. Ah!

FAUSTIN. Jetzt kommt die Familie auch noch nach.

SEBASTIAN. Was schreist denn so auf?

HOCHFELD. 's hat mir nur so einen Stich in die Seite gegeben – 's ist schon vorbei – wo wirst du denn wohnen?

SEBASTIAN. Na – bei dir!

EULALIA. Ah!

SEBASTIAN. Was ist's denn, Schwagerin?

EULALIA. Ich bekam auch einen Seitenstich –

SEBASTIAN ganz gleichgültig. Hat's vielleicht eins vom andern g'erbt! Zu Hochfeld. Ich hab' beim Rößl drauß' eing'stellt, aber das versteht sich, daß ich dir den Schimpf nicht antu', wo anders z'logieren als bei dir!

EULALIA. Aber sehen Sie –

SEBASTIAN. Na, na, ich weiß schon, was sich g'hört, wann i glei nur a Viehhändler bin –

HOCHFELD. Ah!

SEBASTIAN. Du! Dein Seitenstechen wird alleweil ärger, sollst dich doch a bißl ins Bett legen. – Aber jetzt, lieber Bruder! will ich mit meiner Apel a bißl in der Stadt umalaufen – das Weiberl hat Wien no gar nicht g'sehn – und i selber – seit die zehn Jahr, als i nit da war, ist die[22] ganze Kaiserstadt so verändert, als wanns ganz abbrunna und aufs neuche aufbaut war –

HOCHFELD für sich. Gott sei Dank! er geht fort, Laut. ja, ja, lieber Bruder, besieh dir nur alles.


Man hört von ferne, dann immer näher Militärmusik.


APOLLONIA. O jegerl! Was ist denn das für a Pata bum –

HOCHFELD. Die Garnison kehrt von einer Parade zurück – Hastig. Willst du sie nicht sehen? Drüben vom Eckzimmer aus – siehst du gerade auf die Hauptstraße.

APOLLONIA. Ach ja, Sebastian! Schaun wir's an, 's Militari!

HOCHFELD. Ich werde indes meinen Bedienten beauftragen, daß er dann dich und deine Frau durch die Stadt begleitet.

FAUSTIN empört. Ha!


Die Musik kommt immer näher.


SEBASTIAN. Hallo! 's kummt schon her – gut, Apel! gehn wir Er nimmt Apollonia unter einen arm. und du, Regerl! du komm daher – hab' dich ja schon lang nit bei mir g'habt –

REGINE im höchsten Grade verlegen. Lieber Vater –

SEBASTIAN. Na, na, tu nur nit so schichti – Er faßt ihre Hand und zieht sie zu sich. so! – Allons! Hörts es? Tschindarada, tschindarada bumbumbum! Meiner Six, wann i so a Musik hör', könnt i glei selber Soldat werden – aber na! na! I halt's mit'n Frieden, stich lieber meine Kalbn ab, als daß i auf Menschen ziel, tanz lieber, als daß i marschier, und sitz lieber satt hintern Ofen, als daß ich hunger und frier! Gott g'segn mir den Frieden, die Freud' und mein Östreich! – Aber jetzt kommts, sonst sehen wir nix mehr. Indem er mit den beiden Frauenzimmern nach dem Takt der Musik abmarschiert. Tschineradabumbum – tschineradabum!

ALLE DREI gehen ab.


Pause allgemeiner Verlegenheit.


HOCHFELD sich zuerst fassend und nach seiner Uhr sehend. Aber meine Herren – die Stunde – welche zum Beginne des Festes bestimmt ist – naht – dürfte ich – nicht bitten – sich in den Tanzsaal – oder wenigstens in die Nebengemächer desselben hinüber zu bemühen.

EULALIA sich in Hupfer einhängend. Ach – ich versichere Sie – ich fühle mich fast unwohl – Sie geht mit Hupfer ab.

ROBERT welcher fortwährend Klotilden mit wohlgefälligen Augen betrachtet[23] hatte, tritt zu ihr. Darf ich so frei sein? Er bietet ihr den Arm.

KLOTILDE verlegen. Ja – aber – Herr Vater!

HOCHFELD noch immer etwas verwirrt. Geh nur, mein Kind – geh nur!

ROBERT ihren Arm nehmend. Sie machen mich glücklich! Er geht ab mit Klotilden.

GLATT nachdem alle andern fort sind. Also – das – das war der Herr Bruder?

HOCHFELD unwillig. Ja doch – ja!

GLATT. Wenn ich mich nicht irre – ein Vieh – H –

HOCHFELD. Je nun – er handelt nur in großen Transporten – er ist quasi Großhändler –

FAUSTIN. Ja, viehischer Großhändler!

HOCHFELD. Ist unermeßlich reich.

GLATT. Ah – wird er vielleicht auch die Börse besuchen?

HOCHFELD. Möglich! Möglich!

GLATT. Ah, dann tut sein Stand gar nichts – vor dem Gesetz – im Grabe – und auf der Börse kennt man keinen Standesunterschied – der innere Gehalt entscheidet. – Adressieren Sie den Herrn Bruder, wenn er die Börse besuchen wollte, nur an mich – ich werde ihm mit gutem Rat zur Seite stehen. Er geht ab.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Stadt und Land oder Der Viehhändler aus Oberösterreich. Leipzig [1905], S. 18-24.
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