Fünfter Auftritt.

[52] Sebastian. Hochfeld.


SEBASTIAN. Guten Morgen, Bruder!

HOCHFELD. Guten Morgen!

SEBASTIAN. Blasi!

HOCHFELD. Was?

SEBASTIAN. Bist bös auf mi?

HOCHFELD. Aber sag' mir nur, Sebastian, welch ein Teufel mußte dich plagen.

SEBASTIAN. Gar kaner!

HOCHFELD. Mich so zu kompromittieren –

SEBASTIAN. Das hab' i nit woll'n –

HOCHFELD. In meinem Saal bäurisch zu tanzen –

SEBASTIAN. Anders kann i nit!

HOCHFELD. Zu strampfen, zu klatschen, zu jauchzen –

SEBASTIAN. Das g'hört dazu –[52]

HOCHFELD. In Hemdsärmeln –

SEBASTIAN. So ist's halt komoder.

HOCHFELD. Und eben in dem Augenblick, wo der Graf eintrat.

SEBASTIAN. Das hab' i nit g'wußt –

HOCHFELD. Quell' horreur hat er gerufen –

SEBASTIAN. Das versteh' i nit –

HOCHFELD. Und ging fort – er ist entrüstet –

SEBASTIAN. Schiebs nur alles auf mi –

HOCHFELD. Auf dich – auf dich – das wäre eine schöne Ausflucht – ich darf von dir gar nichts erwähnen –

SEBASTIAN. Was – was?

HOCHFELD. Du wirst doch einsehen, daß du hier eine sehr unpassende Rolle spielst – und daß es besser wäre, wenn –

SEBASTIAN gespannt. Wenn – was wenn?

HOCHFELD herausfahrend. Wenn du gar nicht gekommen wärest –

SEBASTIAN tief gekränkt. Blasi – Blasi – das – das kannst du dein Brudern sagen?

HOCHFELD will wieder einlenken. Na sieh, es ist –

SEBASTIAN kräftig. Schlecht! – Was i tan hab', 's mag nit recht sein nach engerer Stadtmanier, aber fröhlich sein in Ehren tut unser Herrgott selber nit wehren; 's war a lustigs Stückli, weiter nichts. – Aber sich aus Hochmut schamen, daß man ein Bauern zum Brudern hat, sich schamen, daß der ehrliche Vater im Grab a nix anders war, das ist a schlechts Stuck – und – 's tut mir leid, daß ich das selber an dir hab' erleben müssen.

HOCHFELD. Nun, nun, Bruder – so – so war's ja nicht gemeint.

SEBASTIAN besänftigt. Na schau – das hab' i mir eh denkt – na – 's freut mich, daß d' es selber widerrufst, also – wir sein wieder die Alten. Er hält ihm die Hand hin.

HOCHFELD. Ja doch – ja – Er gibt ihm kalt die Hand.

SEBASTIAN schüttelt sie derb. Na, waßt ja eh – ich kann nicht bös sein auf dich – und daß d' siehst, daß i ganz gut bin, so bitt' ich dich jetzt glei um a klane Gefälligkeit –

HOCHFELD. Eine Gefälligkeit, und die wäre –?

SEBASTIAN. Siehst, ich bin da nach Wien g'reist, und hab' mei bißl bares Geld mitg'nommen, um's in d' Sparkassa[53] z' legen. Aber grad' vorhin hat mich einer von meine Bekannten, a Spekulant, aufg'sucht, der hat mir a recht a profitables G'schäft mit Rindvieh antragen –

HOCHFELD. Schon wieder das Rindvieh –

SEBASTIAN. Ah du, 's schaut mit'n Rindvieh oft viel mehr raus, als wann man sich mit g'scheite Leut' in G'schäften einlaßt.

HOCHFELD. Aber was kann da ich tun?

SEBASTIAN. Ja siehst, er verlangt halt fünftausend Gulden bar auf d' Hand – und das was ich in d' Sparkassa legen will, ist grad' a runde Summe, die ich nit gern angenz' – also sei so gut und leih' mir derweil die fünftausend Gulden.

HOCHFELD. Ich?

SEBASTIAN. Na ja, für dich ist das ein Kleinigkeit –

HOCHFELD. Da kommst du eben in einem ungünstigen Momente – ich kann jetzt so viel Geld nicht entbehren –

SEBASTIAN erstaunt. Was? – A Großhändler – und nit fünftausend Gulden – und noch dazu für ein' Bruder –

HOCHFELD. Ich bin selbst in Verlegenheit –

SEBASTIAN. Du –

HOCHFELD. Zwar nur vorübergehend –

SEBASTIAN unruhig. Du in Verlegenheit?

HOCHFELD. Ein unvorhergesehenes Falliment – und ich muß Zahlungen leisten ohne Protest.

SEBASTIAN. Protest?

HOCHFELD. Doch jetzt entschuldige – ich muß selbst auf mein Kontor – muß nachsehen – 's ist mir leid, dir nicht dienen zu können. Er will fort.

SEBASTIAN ihn zurückhaltend. Aber sag' mir nur –

HOCHFELD. Mein Gott! Was helfen da weitläufige Erörterungen – von einem Großhandlungsgeschäfte hast du ja doch keinen Begriff, du, bei deinem – Viehhandel! Er geht ab.

SEBASTIAN. Mein Gott! Das macht mi ordentlich damisch – mei Bruder in solcher Verlegenheit – und Protest – Zahlungen – Falliment – mir geht alles im Kopf rum – und i – hab' noch so bös wern können über ein ung'schlachts Wort, o du mein Gott! In so einer Stimmung darf man[54] nit jede Silben auf d' Wagschal'n legen – o mei armer Bruder!

APOLLONIA tritt schüchtern ein.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Stadt und Land oder Der Viehhändler aus Oberösterreich. Leipzig [1905], S. 52-55.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon