An die Najade

[18] Den 14ten Julii 1765.


Melpomene, die selbst den Fischgeschlechtern,

Selbst deinen Schwänen Stimme giebt,

Empfing am Havelstrom von allen Fürstentöchtern

Die Schönste, die der Halbgott liebt,

Den Pallas und Dein erster Schutzheld auferzogen;

Und jezt befiehlt die Muse mir

Gesang an Dich: Komm! unter jenen Ehrenbogen

Von Myrten sing ich Dir.


Sie kömmt – Sie kömmt; o göttliche Najade!

Die neue Deidamia!

So kam mit Grazien aus ihrem Silberbade

Die Venus Acidalia;

So bräutlich ward die Jugendgöttinn Hebe

Dem Sohn Alkmenens zugeführt,

Und so liebreizend ist Apollens Schwester Phöbe,

Wenn sie die Nächte ziert.
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Ihr Auge gleicht dem hellen Morgensterne,

Der im Azurnen Aether schwimmt,

Zum Trost des Steuermanns, der noch vom Hafen ferne

Die Fahrt durch wilde Wellen nimmt.

In süßen Blicken spricht Sie mit des Prinzen Seele,

Der feurigen Gefühles voll

Dem jungen Helden gleicht, der einst in Cirons Höhle

Beschenkt ward vom Apoll.


Er geizet gleich der Thetis tapferm Sohne

Mehr nach dem Herzen Seiner Braut,

Als künftig nach dem Glanz der diamantnen Krone,

Die Ihm das Schicksal anvertraut,

Wenn Friedrich, den der Erde Könige verehren,

Sein fernefunkelnd Ziel erreicht,

Und, die bekannte Zahl der Götter zu vermehren,

Nach dem Olympus fleucht:


Nachdem Sein Blick von jungen Antoninen,

Und Marc Aurelen, seinen Thron

Genug umgeben sieht, die mir den Jünglingsmienen

Und stolzen Männerstirnen drohn

Den Feinden Deines Ruhms, und Muth zum Siege fühlen;

Und wenn der Friede, Land und Heer

Mit Ruhe tränket, des Achilles Leyer spielen,

So hochgestimmt als Er!
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Quelle:
Anna Louisa Karsch: Gedichte von Anna Louisa Karschin, geb. Dürbach. Berlin 1792, S. 18-20.
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