Wiegenliedchen,

[73] dem Sack- und Spaldingischen Enkel zu Magdeburg gewidmet


Den 3ten September 1771.


Enkel zweyer großen Priester,

Die so fromm als heiter sind,

Nie sey deine Stirne düster,

Weine nicht, du süßes Kind.


Lächle deiner Mutter Busen

Dankbar und zufrieden an;

Künftig tränken dich die Musen,

Wenn dein Geist erst saugen kann.


Künftig wirst du, holder Knabe,

Durstig nach der Weisheit seyn;

Und dein Vater hat die Gabe,

Freundlich flößt er sie dir ein.
[74]

Wenn du deinen Namen hören

Und den seinen lallen kannst,

Wird er dich schon sanft belehren,

Daß du nicht umsonst begannst.


Wirst du größer, kleines Wesen,

Dann enthüllt sich dein Verstand;

Dann wirst du ein Büchlein lesen,

Das Bestimmung wird genannt.


O! da lernst du, nimmer müde,

Tugendhaft und glücklich seyn;

Aber jetzt schlaf bey dem Liede

Deiner guten Freundinn ein.

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Neue Gedichte, Mietau und Leipzig 1772, S. 73-75.
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