Morgen

[25] Sooft die Sonne aufersteht,

Erneuet sich mein Hoffen

Und bleibet, bis sie untergeht,

Wie eine Blume offen;

Dann schlummert es ermattet

Im dunklen Schatten ein,

Doch eilig wacht es wieder auf

Mit ihrem ersten Schein.


Das ist die Kraft, die nimmer stirbt

Und immer wieder streitet,

Das gute Blut, das nie verdirbt,

Geheimnisvoll verbreitet!

Solang noch Morgenwinde

Voran der Sonne wehn,

Wird nie der Freiheit Fechterschar

In Nacht und Schlaf vergehn!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 25.
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