Die Begegnung

[79] Schon war die letzte Schwalbe fort

Und wohl seit manchen Tagen auch

Die letzte Rose abgedorrt,

Nach altem Erdenbrauch.


Es flimmerte der Buchenhain

Wie Rauschgold rot im Abendlicht;

Herbstsonne gibt gar sondern Schein,

Der in die Herzen sticht.


Ich traf sie da im Walde an,

Nach der allein mein Herz begehrt,

Mit Tuch und Hut weiß umgetan,

Vom güldnen Schein verklärt.


Sie war allein; doch grüßt ich sie

Verschüchtert kaum im Weitergehn,

Weil ich so feierlich sie nie,

So still und schön, gesehn.


Es blickt' aus ihrem Angesicht

Ein vornehm Etwas neu hervor,

Und ihrer Augen Veilchenlicht

Glomm hinter einem Flor.


Ein fremder Hirt, ein blasser, ging

Im Schatten dieser Huldgestalt;

Im Gurt ein silbern Sichlein hing,

Das klang: Ich schneide bald!
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Es scheint mir ein Rival erwacht!

Sprach ich und schaut ins Abendrot,

Bis es erlosch und bis die Nacht

Die dunkle Hand mir bot.


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 79-81.
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