[188] 1858
Von den Züricher Studenten anläßlich einer festlichen Fahrt nach Ulrichs von Hutten Grabinsel gesungen
Hier unter diesem Rasengrün,
Wo wir in Jugend stehn,
Da liegt ein Ritter frei und kühn,
Wie keiner mehr zu sehn![188]
Er floh herein vom Röm'schen Reich,
Trug einen Lorbeerkranz,
Das Antlitz zorn- und kummerbleich,
Das Aug voll Sonnenglanz!
Und wo die Well' den Blumenstrand
In holder Minne küßt,
Warf er sein Schwert auf sichres Land
Und rief: Sei mir gegrüßt!
In schwerer Not sank er dahin,
Zerbrochen das Gebein;
Doch glühte noch sein starker Sinn
Im Tod wie junger Wein.
Nun weht sein Schatten um uns her,
Nun ruft sein Geist uns zu:
»Ich war ein Schiff auf wildem Meer,
Ich kannte keine Ruh;
Ihr wißt, was ich gestritten hab
Und was gelitten auch;
Doch stieg' ich nochmals aus dem Grab,
Übt' ich den gleichen Brauch!
Die Qual verfliegt, die Sorg ist klein,
Nun bin ich unbeschwert;
Die besten Freunde nannt ich mein
Und fand mich ihrer wert!
Ihr lieben Brüder, wagt es nur
Und acht't die Not gering!
Das Elend zeigt die goldne Spur,
Wo sich ein Held erging!«
Du lichter Schatten, habe Dank!
Gut sprach dein kühner Mund![189]
Und wem der Sinn von Zweifel krank,
Der wird an dir gesund!
Wie diese lustige Silberflut
Dein Grab so hell umfließt,
So uns dein nie geschwundner Mut
Das frohe Herz erschließt!
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