Geübtes Herz

[278] Weise nicht von dir mein schlichtes Herz,

Weil es schon so viel geliebet!

Einer Geige gleicht es, die geübet

Lang ein Meister unter Lust und Schmerz.


Und je länger er darauf gespielt,

Stieg ihr Wert zum höchsten Preise;

Denn sie tönt mit sichrer Kraft die Weise,

Die ein Kundiger ihren Saiten stiehlt.


Also spielte manche Meisterin

In mein Herz die rechte Seele;

Nun ist's wert, daß man es dir empfehle,

Lasse nicht den köstlichen Gewinn!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 278.
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