Der Kürassier

[307] Ich drückte mich nach Hause in kalter Regennacht,

Da stand er düster schimmernd und lautlos auf der Wacht,

Der schlanke, der blanke, der schwere Kürassier.


Er flüstert' leis: »Mich hungert, ein Groschen, Herr, zu Brot!«

Erschrocken blieb ich stehen und wurde für ihn rot,

Den schlanken, den blanken, den schweren Kürassier.


Von Stahl der Helm und Harnisch glänzt' wie ein Spiegel klar;

Im Waffenrock von Scharlach, im höchsten Stiefelpaar,

So stand der schlanke, blanke, der schwere Kürassier.


Das nackte Schwert im Arme glich eines Cherubs Schwert,

Und einen Rapp im Stalle, mit Hafer wohlgenährt,

Hat auch der schlanke, blanke, der schwere Kürassier.


Ei, solch ein Land und Leute, das hab ich nie gesehn,

Wo so kostbare Bettler an Marmortüren stehn!

Der schlanke, der blanke, der schwere Kürassier!


Ich trau mir kaum zu geben, und schäme mich zu fliehn!

Doch zögernd wag ich endlich, das Beutelchen zu ziehn;

O schlanker, o blanker, du schwerer Kürassier!


Und als ich meinen Beutel will teilen mit ihm drauf,

Da rasselt die Karosse herbei im schnellen Lauf.

Auf, schlanker, du blanker, du schwerer Kürassier!


Drin saß ein abgeflattert blutlos Agnatenweib;

Der Recke ließ erklirren den starren Riesenleib.

Der schlanke, der blanke, der schwere Kürassier.
[308]

Verschwunden war der Wagen, ich reckte meine Hand –

Doch wieder klirrt's und glitzert's, wie eine Säule stand

Der schlanke, der blanke, der schwere Kürassier.


Vier seinesgleichen kamen mit Sporenschritt heran,

Parole wird gewechselt und abgelöst der Mann,

Der schlanke, der blanke, der schwere Kürassier.


Er wend't kein Aug zur Seite und wechselt still den Ort,

In Nacht und Nebel schreitet er mit den andern fort,

Der schlanke, der blanke, der schwere Kürassier.


Was mögen das für Dinge, nachtschattenhafte, sein?

Dacht ich und legt ein Gröschlein furchtsam auf einen Stein

Dem schlanken, dem blanken, dem schweren Kürassier.


Vielleicht so kommt er wieder, ich will nach Hause gehn!

Es ist nicht gut den Nachtmahr im fremden Lande sehn,

Den schlanken, den blanken, den Hungerkürassier!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 307-309.
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