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[218] Und als die Schöpfung bleischwer das Haupt im Schlafe wog

Und sie ein quälend Traumbild, daß sie nicht sei, betrog

Und Gott im Himmel selber schlief, vergessend Meer und Land,

Worüberhin kein Lufthauch als Lebenszeichen zog:

Da wachte eine Lilie auf, die einsam, einsam stand

Und die den fernen Sternglanz mit leisem Atem sog;

Da fiel ein Falter tief in sie, mit dunklem Schwingenrand,

Der durch den kalten Nachttau mit Mühe zitternd flog.

Die Flügel schmiegte bebend er an ihres Kelches Wand,

Die, auch erbebend, ob ihm sich eng zusammenbog.


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 218.
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