[230] Wie des Rauches Silbersäumlein
Vom Vesuv den Himmel sucht!
Feigenbäumlein! Feigenbäumlein,
Und wie süß ist deine Frucht!
Und ein kühlender Zephir fächelt
Über den warmen Lavagrund,
Drauf die Madonna niederlächelt
Mit dem feingeschnitzten Mund.
Kommt ein lustiger Mönch gegangen
Mit dem vollen Tränenkrug,
Kommt ein Weib mit Purpurwangen
Und mit nächtlichem Lockenflug;
Schön ist's unter dem Feigenbaum,
Wo der Berg vor Liebe brennt!
Drüben leuchten, wie ein Traum,
Capri, Ischia und Sorrent.
[230]
Sind ihre Locken die dunkle Nacht,
Ist seine Glatze der Mondenschein,
Und es können die Sternenpracht
Ihre glühenden Augen sein.
Also schaffen am hellen Tag
Sie die heimliche stille Nacht;
Was doch alles geschehen mag,
Wenn man's klug und sinnig macht!
Nur die hölzerne Madonne
Schmachtet in der heißen Sonne;
Daß auch sie genieße der Ruh,
Wirft das Weib ihr den Schleier zu.
Lächelnd über die See her blinken
Ischia, Capri und Sorrent –
Süß und selig ist zu trinken,
Was man Christi Tränen nennt!