Der Misanthrop

[35] O Einsamkeit, Du stilles Land,

Der Träume und des Friedens Du,

Die Dankbarkeit mich dir verband,

Dir dank ich meine süße Ruh'!


Du gabst mir wieder alles das,

Was ich verloren hielt,

Die Liebe, die ich schon als Haß

In meiner Brust gefühlt.


All das, was Edles ich geglaubt,

Dir dank' ich's nun allein,

Den Glauben mir nun Keiner raubt,

Denn einsam will ich sein!


Wer weiß, ob nicht in jener Welt

Ein Geist wird einsam sein,

Ob jedem Geist nicht eine Welt

Beschieden auch wird sein.
[35]

Es lebe stille Einsamkeit!

Du gabst mir süße Ruh!

Ich weihe mich der Dankbarkeit,

Mein einz'ger Freund sei'st Du!

Quelle:
Friederike Kempner: Gedichte. Berlin 81903, S. XXXV35-XXXVI36.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1903)
Kennst Du das Land, wo die Lianen blühn?: Gedichte des schlesischen Schwans
Dichterleben, Himmelsgabe: Sämtliche Gedichte
Friederike Kempner: Das Leben ist ein Gedicht
Ausgewählte Gedichte : Aus d. Liederschatz d.
Gedichte: Ausgabe 1903