An Amalia

[91] 1809.


Wie, wer an Himmelshöhen

Aus Wolken schnell den Mond erblickt,

So hab' ich dich gesehen

Und stand in deinem Licht entzückt.


Bald warst du weggeschwunden,

Es kamen wieder Wolken dicht,

Ich stand, ein Herz voll Wunden,

Ein Wandrer nächtlich ohne Licht.


Doch bist du mir geblieben

Recht wie ein lieber, lichter Traum.

Es träumt vom Lenz dort drüben

Am kalten Bach ein welker Baum.


So mögen denn dich grüßen

Die Quellen, die aus meinem Tal

Nach deinem Meere fließen,

Viel tausend, tausend, tausend Mal!

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 91.
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