Dem jungen Architekten

[118] Der Maßstab ruht, es ruht das Eisen

In deiner Hand, der Pinsel ruht,

Die du in alter Meister Weisen

Geführet schon als junges Blut.


Dein warmes Herz hat ausgeschlagen,

Erloschen sind die Augen dein,

Und eine kalte Leiche tragen

Sie fort dich in dem dunklen Schrein.


Doch bist du's nicht – du bist gerettet,

Sie tragen deine Hülle bloß,

Der wird im Erdenschoß gebettet,

Dir doch in deines Gottes Schoß.


Wer an die eitle Welt gebunden

Stirbt, sündhaft und der Tugend bar,

O dessen Tod schlägt tiefe Wunden,

Dem bringet heiße Tränen dar.


Dich aber, der sich nie gekettet

An Eitles, das die Erde bot,

Dich nenn' ich noch einmal gerettet,

Nenn' frühen Sieg den frühen Tod.


Drum keine Tränen dieser Bahre,

Sie ist den Engeln Gottes Lust!

Schlingt Rosen ihm in seine Haare,

Legt Lilien auf seine Brust!

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 118.
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