Ein Lied

[193] Im Faß singt mannigfaltig

Der Geist des jungen Weins.

Herzblut! du tobst gewaltig,

Doch ist dein Lied nur eins.


Es liegt ein Reif von Eisen

Ums Faß, zur sichern Hut,

Sonst würd' es ja zerreißen

Des jungen Weines Mut.


Es liegt ein Reif von Eisen

Um eines Menschen Herz,

Sonst würd' es ja zerreißen

Der alte, bittre Schmerz. –


Wer sang dies Lied, dies kleine?

Der Schmerz hat es getan!

Vom milden Sonnenscheine

Klingt keine Saite an.


In Wind und Regenschauer,

Bei düsterm Himmel nur

Erbebt, doch nur von Trauer,

Die Harfe der Natur.

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 193-194.
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