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[162] An Nikolaus Lenau.
Ein Glas, das ist mein Lieben;
Schon sind es zehen Jahr,
Daß es mir treu geblieben
Voll Scharten, dennoch klar:
Viel Risse, Ehrenzeichen,
Die Fahne zeigt im Wind,
Den Rissen zu vergleichen
Des Glases Scharten sind.
Oft ward es angestoßen
Mit Sang und Klang die Rund',
Daß spritzte, rot wie Rosen,
Der Wein aus seinem Grund,
Drob ist es nicht zersprungen,
Es schließt in sich noch gut
Den Alten und den Jungen,
Gleich wie ein Herz das Blut.
Treu wie mein lichtes Lieben
Ist selbst die Sonne nicht,
Im Winter noch, dem trüben,
Gibt's Wärme mir und Licht.
Im Winter wie im Lenze
Füllt sich's mit goldnem Wein
Und hüllt in Rosenkränze
Den Schmerz des Trinkers ein.
Seh' ich in seine Tiefe,
Wird es gar seltsam mir,
Als ob ein Freund mir riefe:
Herz! Herz! ich bin bei dir![162]
Dies Glas hat mir gegeben
Ein Freund im Trennungsschmerz,
Zerspringt's mit meinem Leben,
Legt mir's im Sarg aufs Herz.