Von Ihr, im Winter

[86] Vom Winter zu gesunden,

Flog Lerche himmelwärts;

Noch stand, das Herz voll Wunden,

Ich da im stummen Schmerz,

Da fandest du den Armen

Und nahmst ihn mit Erbarmen

Ins jugendliche Herz.


In dir sich ihm entfaltet

Ein Leben wunderbar,

Fortan ihm neu gestaltet

Die ganze Erde war,

Kampf war aus ihr geschieden,

Er sah sie nur in Frieden

Aus deinem Auge klar.


Was jüngst ihm bös geschienen,

Erschien ihm fromm und gut,

So wollt' er Feinden dienen

Mit Armen und mit Blut;

Gestillt war alles Sehnen,

Getrocknet eitle Tränen

In frommer Liebe Glut.


Jetzt, da die Welt in Schmerzen

Kalt liegt und blütenarm,

Umfängt in deinem Herzen

Ihn noch ein Frühling warm!

Fern von der Welt Getümmel

Ruht dort ein Stern im Himmel,

Fühlt nicht der Erde Harm.

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 86.
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