Zank mit dem Herzen

[128] Dem Grafen Alexander von Württemberg.


Als jüngst ich ohne Schlummer

In Nächten einsam lag,

Fühlend des Herzens Kummer

An Herzens bangem Schlag,


Sprach ich: »Mein Herz! gezanket

Hab' ich mit dir schon oft,

Daß du im Leid gewanket,

Von Freunden nichts gehofft,


Daß du zu Blumen, Bäumen

Dich wandt'st von Menschen ab,

Von Toten nur zu träumen

Aufsuchtest Sarg und Grab.


Herz! schlägt denn nicht entgegen

Ein Herz dir stark und warm,

Ein Herz, in das du legen

Dich darfst in Lust und Harm?[128]


Ein Herz, das, wenn dich fassen

Untreu' und Wankelmut,

Dich doch nicht könnte lassen,

Dir da noch Liebes tut? –


Drum, Herz! laß doch dein Grämen!

Heb dich aus Schmerz und Nacht!« –

Ich sprach's – das Herz mit Schämen

Aus seinem Traum erwacht;


Und dir, – mein Alexander!

Schlägt es voll Freude zu! –

O! Treuster! oft Verkannter!

Wer hat ein Herz wie du?

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 128-129.
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