9.
9. [Als ich mit Druckerschwärze heut klecksographiert']

[80] Als ich mit Druckerschwärze heut klecksographiert',

Wozu mich nur der Teufel hat verführt,

Kam dieses Skandalum heraufspaziert.

Nicht weiß ich, wer der ist, noch wer der war,

Faustus vielleicht, des Drucks Erfinder gar,

Der nie war (wie bekannt) ein gläub'ger Christ[80]

Und als Schwarzkünstler in der Hölle ist.

Mög' solches wahr sein, oder sein nicht wahr,

Kommt das bei mir heut nicht so in Betracht,

Als daß dies Bild so schmählich sich gemacht,

Dieweil es ganz aus jener Schwärze kam,

Die manchen schon versetzt in schwarzen Gram.

Druckfehler druckt die, wer sie liest, laut lacht,

Indes der Autor stirbt voll Zorn und Scham,

Der armen Frau zuruft in stiller Nacht:

»Du Frau, und ihr, ihr lieben Kinder, wacht!

Wie eine Druckerpresse hat's gekracht«,

Worauf in einem schwarzen Pfuhl ich schwamm.

Und wieviel Kreuz die Schwärze noch gebracht,

Das wird von mir gesagt nicht, – nur gedacht.

Nur eines steh' noch da

Exempli gratia:

Oft spricht zum Autor der Buchhändler klagend:

»O wenn doch nichts gedruckt von Ihnen wär'!

Ihr ind'sches Lexikon, auf meine Ehr',

Liegt zehen Jahre, völlig nichts ertragend,

Und Ihre Streitschrift! – doch, ich bitte sehr!

Mit andern Büchern geht es auch sehr schwer,

Es häufen sich die Krebse immer mehr.«

So spricht er, – und wär' all dies auch nur Finte.

Ja, Druckerschwärze! deiner ganz entsagend,

Nehm' zum Klecksographieren ich nur Tinte,

Mich nimmermehr mit deiner Schmiere plagend.

Kaum daß ich dieses schreib', fuhr's mit Gekrach

Durch das Kamin herauf bis unters Dach,

Und Steine stürzten donnernd vom Kamin,

Ich wußte nicht, wo ich nur sollte hin.

»Weh!« rief ich, »daß ich unter Teufeln bin!«

Das war im ersten Schrecken nur, doch plötzlich

Sprang ich gefaßt ans offne Ofenloch,

Draus quoll ein Dampf durchs ganze Haus, der roch

Nach Kreosot und Druckerschwärz' entsetzlich;

Ich sah durch ihn hinauf, da sah ich noch,

Wie die klecksographierte Unnatur,

Aller Druckfehler schreckliche Figur,

Hohnlachend meiner, hu! der Hexenschlingel

Zum Ritt sich schwingend auf den Pressebengel,

Wie ein Weltkönig stolz von dannen fuhr.

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 2, Berlin 1914, S. 80-81.
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