[89] Ich ging durch die Gänge des Klosters, an den Zellen der andern Mönche vorüber, in die Kapelle.
Der junge Geistliche kniete am Altare im Gebet, auch knieten noch viele Betende still in den Gewölben umher. Die Orgel der Kapelle war anzusehen gleich einem großen, wunderbaren Kristall, der silbern mit tausend Abstufungen und Verzweigungen an das himmelblaue Gewölbe aufschoß.[89]
Ein süßer Rosenduft wehte durch die Fenster der Kapelle, und sangen die Vögel da draußen auf grünen Zweigen unter Rosen ihr Lied.
Ein großer Rosenstock umfing mit üppigen Zweigen die Kapelle; er hatte unter dem Altare Wurzeln gefaßt, und die Stiftungstafel dieses Klosters, die nächst dem Hochaltare der Kapelle hing, sagt von ihm also:
»Bei Wintersfrost in Kluft und Wald
Sich Kaiser Karl verloren;
Die Diener treu, die liegen bald
Rings um den Herrn erfroren.
Er knieet hin auf kalten Stein,
Legt ab die güldnen Ketten,
Legt ab den Purpurmantel sein
Und tät demütig beten.
Ach weh! ach weh! der Rosenkranz
Wer starren Hand, entsinket,
Doch als er sinkt, wie Sonnenglanz
Er auf der Erde blinket.
Ein Rosenstock schnell aus ihm sproß,
Tät über Eichen steigen,
Ein süßes Duften sich ergoß
Aus seinen Blüten, Zweigen.
Auch rings, so weit sein Duft gereicht
Die Bäume grünend standen,
Die Vögel sich mit Singen leicht
Wohl durch die Lüfte schwangen.
Durch Wald und Kluft die Sonne hell
Mit mildem Glanz geschienen,
Die Knappen treu erstehen schnell,
Den Herren zu bedienen.
Und wo den Rosenstock man schaut
Auf der geweihten Stelle,
Zur Andacht ward gar wohl erbaut
Eine heilige Kapelle.
Ein Rosenkranz umfängt sie bald,
Untern Altar die Wurzeln dringen.
Da innen Chor und Orgel schallt,
Da draußen die Vögel singen.«