[39] Mein Vater, der bekannte Raubmörder Klauschke, erzog mich in Ehr- und Gottesfurcht. »Halte stets dein Haus rein!« sagte er mit einem Seitenblick auf meine Mutter, die mit Eimer und hochgekrempelten Röcken im Zimmer stand und planschte. Wie ich erst später erfuhr, war meine Mutter gar nicht meine Mutter, sondern eine entfernte Verwandte meiner Mutter, die ich »Tante« nennen mußte, und mit der ich mich in jugendlichem Überschwang beinahe einmal verlobt hätte. Als ich das sechzehnte Jahr vollendete, gab mich mein Vater in die Lehre zum Porzellanwarenhändler Simson Siegedurch, einem Meister seines Faches. Er hielt Seelenfreundschaft sowohl mit meiner wahren wie mit meiner falschen Mutter und pflegte mich, nicht ohne Anzüglichkeit, »mein Söhnchen« zu rufen. Er war mit meinem Vater von früher her ein wenig böse, weil dieser in einem Anfall von Gedankenschwäche[39] Frau Siegedurch mit einer Kupferkanne erschlagen hatte. Die Kupferkanne bekam eine beträchtliche Beule. Siegedurch hatte die Kupferkanne sehr geliebt, und die Beule darin verdroß ihn lebhaft. Er war ein Kunstkenner und lehrte auch mich die Kunst kennen, indem er zwei Reihen Porzellantassen vor mich hinstellte und sagte: Links Kunst – rechts keine. – Ja, Anschauen bildet. Das dachte ich mir auch, als ich Röschen Zwitterbauch kennen lernte und ihr ewige Liebe schwor. Mein Vater war mit dieser Lösung meiner Verhältnisse nicht einverstanden. Er gab mir die goldene Lebensregel: schlag tot, schlag tot – er meinte, er sei mit dem
Tod im Leben stets am weitesten gekommen. Was soll ich Ihnen weiter erzählen – ich sehe, Sie finden mein Leben reichlich uninteressant und hören schon gar nicht mehr zu. Ich bin leider in einem einfachen, gut bürgerlichen Milieu aufgewachsen, wo das Dasein monoton dahinfließt. Noch einen Steinhäger, Fräulein, und die »Fliegenden Blätter«![40]