Die Kette

[59] Es war eine venezianische Glaskette aus den Werkstätten von Murano.

Er kaufte sie in einem Basar in Lugano: schwarze und weiße Perlen.

Er dachte: Die Griechen hielten ihre Volksabstimmungen mit schwarzen und weißen Perlen ab.

Weiß bedeutete: ja. Schwarz: nein.

Warum ist Weiß das Bejahende, Schwarz das Verneinende?

Es wäre das hübscheste, eine Frau damit zu beglücken. Er traf die kleine Adrienne und nahm sie mit nach Hause. Er zog sie ganz nackt aus, und vor einem Spiegel hing er ihr die Kette um den Hals.

Er beschloß, sie zu lieben.

Die Kette hatte 31 Perlen: 15 schwarze und 16 weiße. Er beschloß, sie 31 Tage zu lieben.

Am 31. Tage trug sie den übriggebliebenen weißen Stein an einem Ringe.

15 schwarze und 15 weiße Perlen gab sie ihm in den Sarg mit.[59]

Er hatte sich erschossen.

15:15 hebt sich auf – lächelte sie dunkel – für wen? Ich... bleibe übrig. Denn die Natur will ihr Recht. Es wird ihr stets votiert – wenn auch nur mit einer Stimme Mehrheit. Die Eins ist es, die überall siegt, beziehungsweise: die

Eine...[60]

Quelle:
Klabund: Kunterbuntergang des Abendlandes. München 1922, S. 59-61.
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