Laotse

[7] Er ward von einer armen Magd empfangen

Auf hartem Ackerland.

Der grosse Wandrer kam gegangen

Und nahm sie bei der Hand.[7]


Vor ihren Augen ward es finster,

In ihrem Herzen ward es licht.

Versinkend spielte sie noch mit dem Ginster,

Ein Junikäfer schlug ihr ins Gesicht.


Und als sie um sich sah, war sie erwacht.

Der Mond berührte blinkend ihren Jammer.

Und weinend ging sie durch die goldne Nacht

In ihre schwarze Mädchenkammer.


Neun Jahre trug durch Fron und Schweiss

Sie an dem Kind, das ihr erkoren.

Die Stunde kam. Sie hatte einen Greis

In silberweissem Haar geboren.


Sein Haupt war spitz und seine Haut war welk,

Dass sie erschrak, sooft sie ihn umherzte.

Vor seiner Stirne lag es wie Gewölk.

Er sprach, als wenn ein Vater mit ihr scherzte.


Sie sass bei ihm, nicht er bei ihr, und lauschte

Und trug ihr gross und kleines Weh

Ihm an sein Ohr, das muschelähnlich rauschte.

Und lächelnd streichelte sie Laotse.

Quelle:
Klabund: Das heiße Herz. Berlin 1922, S. 7-8.
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