Narkissos

[63] Als Narkissos sich

Im Teiche spiegelte,

Erschrak er:

Denn also schön schien ihm das Spiegelbild,

Dass er in Liebe zu sich selbst

Entzündet wurde.

Er beugte sich hernieder

Ins Ufergras

Und küsste im Wasser

Seine Lippen

Und griff nach sich mit seinen Händen

Und seufzte.

Die Schönheit,

Sann Narkissos,

Wohnt auf dem Grund der Seen.

Versunkene Städte müssen sein,[63]

In denen die Schönen wohnen

Und mittags nur

Im Sonnenlicht

Werden sie sichtbar,

Wird Schönheit Bild,

Gesang und Lächeln

Glanz und Kuss.

Noch niemals sah ich nachts im Teich

Den schönen Jüngling.

Er schläft zur Dämmerung wohl

Wie wir.

Und ist ein Mensch

Wie wir

Nur Mensch der unteren Welt.

Du Tiefer steig hinauf!

Und werde Du!

Wenn das Gymnasion du betrittst,

Schweigt rings die Runde.

Der Fechter lässt den Degen sinken,

Der Ringer Blick und Arm,

Und selbst die Greise und die Kinder

Erschrecken süss vor deinem Angesicht.

Quelle:
Klabund: Das heiße Herz. Berlin 1922, S. 63-64.
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