In der Stadtbahn

[5] Ein feiles Mädchen, schön und aufgetakelt,

Ihr gegenüber, grün und unbemakelt,

Ein Jüngling, dessen Hände sanft behüten

Zwei Veilchensträußchen in den Seidendüten.

Sie sieht ihn an. Er lächelt traurig blöde:

Mein Gott, wie wird das heute wieder öde

Bei Tante Linchen, die Geburtstag feiert. –


Die Dame hat sich nunmehr ganz entschleiert.

Da ist er hingerissen, starrt ein Weilchen,

Und reicht ihr wortlos alle seine Veilchen.[5]

Nun hat er nichts, für Tante kein Präsent...

Er wundert sich – das schöne Fräulein flennt:

Und ihre blassen Tränen auf die blauen

Märzveilchen wie Gelübde niedertauen.

Quelle:
Klabund: Die Harfenjule. Berlin [1927], S. 5-6.
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