Ich habe ja ein Kind

[49] Ich habe ja ein Kind,

Nun kann ich nicht mehr sterben,

Wenn meine Augen tot und blind,

Dann hab' ich einen Erben.


Alle meine Träume flattern

In meines Kindes Augen wieder mit blauen Flügeln auf,

Schießen zwitschernd um seines jungen Turmes sonnegoldnen Knauf,

Wenn dumpf schon ferne die Gewitter rattern.


Du wirst mich ganz erfüllen,

Und meine Unruh stillen,

Mein Kind... du überwindest mein Martyrium.

Wenn ich begraben werde,

Wirf du die erste Handvoll Erde

Auf meinen Sarg – und dreh dich lachend um.


Geh hin zum neuen Leben,

Mehr kann ich dir nicht geben,

Als was ich war... und ich war ich.

Mein Blut soll in dir singen,

In meine Tiefe dringen,

Wenn längst sich Wurm auf Wurm in meinen Schädel schlich.[49]


Quelle:
Klabund: Morgenrot! Klabund! Die Tage dämmern, Berlin [1913], S. 49-50.
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Morgenrot. Klabund. Die Tage dämmern. Gedichte von Klabund pseud. (German Edition)