Vberreichungsschrifft

[60] So geht es in der Welt/ die Zeit in sich verbunden

Hat alle hundert Jahr ein neues Werk erfunden/

Die Welt jemehr sie graut/ jemehr sie sinnet auß/

Es saget der Magnet/ wo unser Fichtenhauß

Hinläufft/ wenn Eolus den Wind auß seinen Hölen

Herfür läst/ daß er kan das tode Meer beseelen/

Im Fall uns überfält die kohlpechschwartze Nacht/

Auf der erbosten See/ daß alles knikt und kracht.

Darnach hat man versucht deß Pulvers Macht genützet/

Der grossen Stükken Kern Carthaunen loß geblitzet/

Das eingezwengte Feur schmieß auß das runde Bley

Mit sehr ergrimten Zorn/ riß Roß und Mann entzwey.

Es sind zweyhundert Jahr und viere noch verschwunden/

Als erst die Künste Kunst durch Himmelsgunst erfunden

Deß klugen Faustes Faust/ der Edle Gutenberg/

Das Wunder der Natur/ das schöne Drukkerwerk.

Hernach hat Magellan der Wellen Saltz durchpflüget/

Vnd in der neuen Welt das arme Volk besieget/

Geraubt der Erden Mark/ der Edlensteine Pracht/

Was Holland/ Spanien und andre reich gemacht.

Drauf kam Lutherus an/ der Teutschen Ruhm und Ehre/

Stekt auf das helle Liecht der reinen Gottes Lehre/

Ein unbewehrter Mann trotzt die Welt/ wie er will/

Erleget Babylon mit einem Federkiel.

Gleich hundert Jahr hernach ist aufgerichtet worden

Die hochvertraute Zunfft der Teutschen Helden Orden/

Durch derer Zuthun jetzt die Teutsche Sprache blüt/

Wie lautet es so wol/ wie manches schönes Lied[60]

Schalt jetzund weit und breit bey den berühmten Flüssen/

Die Elbe höret zu/ der Rhein muß reiner güssen/

Wer auß den Bober trinkt (da Opitz war bekand/

Wo jetzt Apelles sing) schreibt Verse von der Hand.

Die Okker ist gelehrt/ den Teutschen Ruhm zu preisen/

Sie rührt der Harfen Zier/ in jüngsterfundnen Weisen/

Die Pegnitz stimmet ein/ die süsse Melodey

Bezeugt/ daß unser Land der Künste Schauplatz sey.

Soll aber dieses Schiff das Gut wol übertragen/

Muß es ein guter Wind hin in den Hafen jagen/

Soll die nichthelle Glut recht geben einen Schein/

So muß sie nach und nach recht aufgeblasen seyn.

Virgil der hätte nicht sein ewigs Buch geschrieben/

Wenn nicht Augustus ihn mit Lieben angetrieben/

So hätt es Opitz auch wol nicht so weit gebracht/

Wenn ihm sein Hannibal nicht hätte Lust gemacht.

Diß wiederfuhr mir auch/ ich legte neulich nieder

Die Laute/ meine Lust/ als ihr mir winktet wieder/

Sung ich/ so gut ich kunt/ deß gelben Todes Tod/

Deß Höllenstürmers Pracht/ den Trösterin der Noht.

So leset dieser Werk ihr ihr Götter dieser Mauren/ Ps. 82. v. 6.

Last euch die schlechte Müh und edle Zeit nicht dauren/

Auch liebet den/ der ietztan eurer Pegnitz singt/

Sich von der Erdenschaar hin an die Wolkken schwingt/

In dem der höchste Gott/ und der erzürnte Himmel/

Von Sünden aufgereitzt ein blutiges Getümmel/

In seinem Vatterland/ den Armen hat erregt/

Vnd vierzehn gantzer Jahr auf eine Stelle schlägt.


Ihrer Adelichen Herrlichkeiten unterthänigster Johannes Clajus.

Quelle:
Johann Klaj: Redeoratorien und »Lobrede der Teutschen Poeterey«. Tübingen 1965, S. 60-61.
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