I.R.I.F.

[382] Es war der Helicon der Teutschen düsterm Land

Und aller Musenkunst vor Jahren unbekant.

Der finsterrauhe Wald hat nur das Wild geheget/

Es hatte noch die Hand an keinen Pflug geleget

Das halbverwildte Volk/ das damals eingehüllt/

In Fell' und Bärenhaut'/ ihr Hunger ward gestillt

Von Ceres roher Furcht/ die helle Quell' am rangen

Gab ihnen Trank genug/ sie hatten kein Verlangen/

Als/ mit freykühner Hand/ zu würgen ihren Feind.

Wie sind sie heut zu Tag der Weißheit werthe Freund?

Jetzt steht Parnassus hier/ ist doppelt aufgespitzet/

Um welchen Phöbus selbst mit seinen Schwestern sitzet/

Der Redner Mutterschos/ der Dichter Vaterland/

Da Kunst und Wissenschaft steigt in den höchsten Stand/

Die Lehrer Gottes Worts/ der Recht und Aertzte Scharen

So manche Künstler Zunfft (daß Schande zu befahren

Archytas/ Dädalus/ und auch Lysippus Ruhm/ )

Umzirket dieses Land/ der Tugend Eigenthum.

Rom schämet sich und fragt/ aus altverfaulten Stützen/

Ist diß der Thiere Höl/ die wüste Wildnißpfützen?

Wie prachtet ihr Gewand? so süsse Schleckerkost

Erwehlt Apitius/ Philoxenus den Most.

Das fehlet ihnen noch: Ihr Sprache wolt versiegen/

Vnd durch das Wortgemeng des Fremdlings fast erliegen.

Die wird empor gebracht zur letzten Threnenzeit/

Und unsre Helden Sprach wird Hofgemäß bereit.

Wie rein- und scheinlich prangt sie aus dem Grund gezieret/

Wie Majestätisch klingt/ was unsre Zunge rühret?

Der lüstrend Römer weicht/ der Griech der Trunkenpold/

Der grosse Spanier/ der Frantzmann Neurungshold/

Erblasset neben uns. Wie sie nunmehr genesen/

Mit Wunderart-zart-pracht- und mächtiglichem Wesen/

Redt unser Klajus aus/ der alles zierlich weist/

Wann morgenfrüh der Hirt die Seelen abgespeist.

Ihr Kunstbeförderer/ beliebet das Beginnen/

Verlieret kurtze Zeit/ last eure Gunst gewinnen.


Nürnberg den 27. deß Weinmonats/ Im Jahr 1644.


Dilherr.

Quelle:
Johann Klaj: Redeoratorien und »Lobrede der Teutschen Poeterey«. Tübingen 1965, S. 382-383.
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