Eilfter Auftritt

[293] Licht. Frau Brigitte mit einer Perücke in der Hand. Die Mägde. Die Vorigen.


LICHT.

Hier, Frau Brigitte, herein.

WALTER.

Ist das die Frau, Herr Schreiber Licht?

LICHT.

Das ist die Frau Brigitte, Euer Gnaden.

WALTER.

Nun denn, so laßt die Sach uns jetzt beschließen.

Nehmt ab, ihr Mägde. Hier.


Die Mägde mit Gläsern usw. ab.


ADAM währenddessen.

Nun, Evchen, höre,

Dreh du mir deine Pille ordentlich,

Wie sich's gehört, so sprech ich heute abend

Auf ein Gericht Karauschen bei euch ein.

Dem Luder muß sie ganz jetzt durch die Gurgel,

Ist sie zu groß, so mag's den Tod dran fressen.

WALTER erblickt die Perücke.

Was bringt uns Frau Brigitte dort für eine

Perücke?

LICHT.

Gnäd'ger Herr?

WALTER.

Was jene Frau uns dort für eine

Perücke bringt?

LICHT.

Hm!

WALTER.

Was?

LICHT.

Verzeiht –

WALTER.

Werd ich's erfahren?[293]

LICHT.

Wenn Euer Gnaden gütigst

Die Frau, durch den Herrn Richter fragen wollen,

So wird, wem die Perücke angehört,

Sich, und das Weitre, zweifl' ich nicht, ergeben.

WALTER.

– Ich will nicht wissen, wem sie angehört.

Wie kam die Frau dazu? Wo fand sie sie?

LICHT.

Die Frau fand die Perücke im Spalier

Bei Frau Margrete Rull. Sie hing gespießt,

Gleich einem Nest, im Kreuzgeflecht des Weinstocks,

Dicht unterm Fenster, wo die Jungfer schläft.

FRAU MARTHE.

Was? Bei mir? Im Spalier?

WALTER heimlich.

Herr Richter Adam,

Habt Ihr mir etwas zu vertraun,

So bitt ich, um die Ehre des Gerichtes,

Ihr seid so gut, und sagt mir's an.

ADAM.

Ich Euch –?

WALTER.

Nicht? Habt Ihr nicht –?

ADAM.

Auf meine Ehre –


Er ergreift die Perücke.


WALTER.

Hier die Perücke ist die Eure nicht?

ADAM.

Hier die Perück ihr Herren, ist die meine!

Das ist, Blitz – Element, die nämliche,

Die ich dem Burschen vor acht Tagen gab,

Nach Utrecht sie zum Meister Mehl zu bringen.

WALTER.

Wem? Was?

LICHT.

Dem Ruprecht?

RUPRECHT.

Mir?

ADAM.

Hab ich Ihm Schlingel,

Als Er nach Utrecht vor acht Tagen ging,

Nicht die Perück hier anvertraut, sie zum

Friseur, daß er sie renoviere, hinzutragen?

RUPRECHT.

Ob Er –? Nun ja. Er gab mir –

ADAM.

Warum hat Er

Nicht die Perück, Halunke, abgegeben?

Warum nicht hat Er sie, wie ich befohlen,

Beim Meister in der Werkstatt abgegeben?[294]

RUPRECHT.

Warum ich sie –? Gotts, Himmel-Donner – Schlag!

Ich hab sie in der Werkstatt abgegeben.

Der Meister Mehl nahm sie –

ADAM.

Sie abgegeben?

Und jetzt hängt sie im Weinspalier bei Marthens?

O wart, Kanaille! So entkommst du nicht.

Dahinter steckt mir von Verkappung was,

Und Meuterei, was weiß ich? – Wollt Ihr erlauben,

Daß ich sogleich die Frau nur inquiriere?

WALTER.

Ihr hättet die Perücke –?

ADAM.

Gnäd'ger Herr,

Als jener Bursche dort, vergangnen Dienstag,

Nach Utrecht fuhr mit seines Vaters Ochsen,

Kam er ins Amt, und sprach, Herr Richter Adam,

Habt Ihr im Städtlein etwas zu bestellen?

Mein Sohn, sag ich, wenn du so gut willt sein,

So laß mir die Perück hier auftoupieren –

Nicht aber sagt ich ihm, geh und bewahre

Sie bei dir auf, verkappe dich darin,

Und laß sie im Spalier bei Marthens hängen.

FRAU BRIGITTE.

Ihr Herrn, der Ruprecht, mein ich, halt zu Gnaden,

Der war's wohl nicht. Denn da ich gestern nacht

Hinaus aufs Vorwerk geh, zu meiner Muhme,

Die schwer im Kindbett liegt, hör ich die Jungfer

Gedämpft, im Garten hinten jemand schelten:

Wut scheint und Furcht die Stimme ihr zu rauben.

Pfui, schäm Er sich, Er Niederträchtiger,

Was macht Er? Fort. Ich werd die Mutter rufen;

Als ob die Spanier im Lande wären.

Drauf: Eve! durch den Zaun hin: Eve! ruf ich.

Was hast du? Was auch gibt's? – Und still wird es:

Nun? Wirst du antworten? – Was wollt Ihr, Muhme? –

Was hast du vor, frag ich? – Was werd ich haben. –

Ist es der Ruprecht? – »Ei so ja, der Ruprecht.[295]

Geht Euren Weg doch nur.« – So koch dir Tee.

Das liebt sich, denk ich, wie sich andre zanken.

FRAU MARTHE.

Mithin –?

RUPRECHT.

Mithin –?

WALTER.

Schweigt! Laßt die Frau vollenden.

FRAU BRIGITTE.

Da ich vom Vorwerk nun zurückekehre

Zur Zeit der Mitternacht etwa, und just,

Im Lindengang, bei Marthens Garten bin,

Huscht euch ein Kerl bei mir vorbei, kahlköpfig,

Mit einem Pferdefuß, und hinter ihm

Erstinkt's wie Dampf von Pech und Haar und Schwefel.

Ich sprech ein Gottseibeiuns aus, und drehe

Entsetzensvoll mich um, und seh, mein Seel,

Die Glatz, ihr Herren, im Verschwinden noch,

Wie faules Holz, den Lindengang durchleuchten.

RUPRECHT.

Was! Himmel – Tausend –!

FRAU MARTHE.

Ist Sie toll, Frau Briggi?

RUPRECHT.

Der Teufel, meint Sie, wär's –?

LICHT.

Still! Still!

FRAU BRIGITTE.

Mein Seel!

Ich weiß, was ich gesehen und gerochen.

WALTER ungeduldig.

Frau, ob's der Teufel war, will ich nicht untersuchen,

Ihn aber, ihn denunziiert man nicht.

Kann Sie von einem andern melden, gut:

Doch mit dem Sünder da verschont Sie uns.

LICHT.

Wollen Euer Gnaden sie vollenden lassen.

WALTER.

Blödsinnig Volk, das!

FRAU BRIGITTE.

Gut, wie Ihr befehlt.

Doch der Herr Schreiber Licht sind mir ein Zeuge.

WALTER.

Wie? Ihr ein Zeuge?

LICHT.

Gewissermaßen, ja.

WALTER.

Fürwahr, ich weiß nicht –[296]

LICHT.

Bitte ganz submiß,

Die Frau in dem Berichte nicht zu stören.

Daß es der Teufel war, behaupt ich nicht;

Jedoch mit Pferdefuß, und kahler Glatze

Und hinten Dampf, wenn ich nicht sehr mich irre,

Hat's seine völl'ge Richtigkeit! – Fahrt fort!

FRAU BRIGITTE.

Da ich nun mit Erstaunen heut vernehme,

Was bei Frau Marthe Rull geschehn, und ich

Den Krugzertrümmrer auszuspionieren,

Der mir zu Nacht begegnet am Spalier

Den Platz, wo er gesprungen, untersuche,

Find ich im Schnee, ihr Herrn, euch eine Spur –

Was find ich euch für eine Spur im Schnee?

Rechts fein und scharf und nett gekantet immer,

Ein ordentlicher Menschenfuß,

Und links unförmig grobhin eingetölpelt

Ein ungeheurer klotz'ger Pferdefuß.

WALTER ärgerlich.

Geschwätz, wahnsinniges, verdammenswürd'ges –!

VEIT.

Es ist nicht möglich, Frau!

FRAU BRIGITTE.

Bei meiner Treu!

Erst am Spalier, da, wo der Sprung geschehen,

Seht, einen weiten, schneezerwühlten Kreis,

Als ob sich eine Sau darin gewälzt;

Und Menschenfuß und Pferdefuß von hier,

Und Menschenfuß und Pferdefuß, und Menschenfuß und Pferdefuß,

Quer durch den Garten, bis in alle Welt.

ADAM.

Verflucht! – – hat sich der Schelm vielleicht erlaubt,

Verkappt des Teufels Art –?

RUPRECHT.

Was! Ich!

LICHT.

Schweigt! Schweigt!

FRAU BRIGITTE.

Wer einen Dachs sucht, und die Fährt entdeckt,

Der Weidmann, triumphiert nicht so, als ich.

Herr Schreiber Licht, sag ich, denn eben seh ich[297]

Von euch geschickt, den Würd'gen zu mir treten,

Herr Schreiber Licht, spart eure Session,

Den Krugzertrümmrer judiziert ihr nicht,

Der sitzt nicht schlechter euch, als in der Hölle:

Hier ist die Spur die er gegangen ist.

WALTER.

So habt Ihr selbst Euch überzeugt?

LICHT.

Euer Gnaden,

Mit dieser Spur hat's völl'ge Richtigkeit.

WALTER.

Ein Pferdefuß?

LICHT.

Fuß eines Menschen, bitte,

Doch praeter propter wie ein Pferdehuf.

ADAM.

Mein Seel, ihr Herrn, die Sache scheint mir ernsthaft.

Man hat viel beißend abgefaßte Schriften,

Die, daß ein Gott sei, nicht gestehen wollen;

Jedoch den Teufel hat, soviel ich weiß,

Kein Atheist noch bündig wegbewiesen.

Der Fall, der vorliegt, scheint besonderer

Erörtrung wert. Ich trage darauf an,

Bevor wir ein Konklusum fassen,

Im Haag bei der Synode anzufragen

Ob das Gericht befugt sei, anzunehmen,

Daß Beelzebub den Krug zerbrochen hat.

WALTER.

Ein Antrag, wie ich ihn von Euch erwartet.

Was wohl meint Ihr, Herr Schreiber?

LICHT.

Euer Gnaden werden

Nicht die Synode brauchen, um zu urteiln.

Vollendet – mit Erlaubnis! – den Bericht,

Ihr Frau Brigitte, dort; so wird der Fall

Aus der Verbindung, hoff ich, klar konstieren.

FRAU BRIGITTE.

Hierauf: Herr Schreiber Licht, sag ich, laßt uns

Die Spur ein wenig doch verfolgen, sehn,

Wohin der Teufel wohl entwischt mag sein.

Gut, sagt er, Frau Brigitt, ein guter Einfall;

Vielleicht gehn wir uns nicht weit um,

Wenn wir zum Herrn Dorfrichter Adam gehn.

WALTER.

Nun? Und jetzt fand sich –?[298]

FRAU BRIGITTE.

Zuerst jetzt finden wir

Jenseits des Gartens, in dem Lindengange,

Den Platz, wo Schwefeldämpfe von sich lassend,

Der Teufel bei mir angeprellt: ein Kreis,

Wie scheu ein Hund etwa zur Seite weicht,

Wenn sich die Katze prustend vor ihm setzt.

WALTER.

Drauf weiter?

FRAU BRIGITTE.

Nicht weit davon jetzt steht ein Denkmal seiner,

An einem Baum, daß ich davor erschrecke.

WALTER.

Ein Denkmal? Wie?

FRAU BRIGITTE.

Wie? Ja, da werdet Ihr –

ADAM für sich.

Verflucht mein Unterleib.

LICHT.

Vorüber, bitte,

Vorüber hier, ich bitte, Frau Brigitte.

WALTER.

Wohin die Spur Euch führte, will ich wissen!

FRAU BRIGITTE.

Wohin? Mein Treu, den nächsten Weg zu euch,

Just wie Herr Schreiber Licht gesagt.

WALTER.

Zu uns? Hierher?

FRAU BRIGITTE.

Vom Lindengange, ja,

Aufs Schulzenfeld, den Karpfenteich entlang,

Den Steg, quer übern Gottesacker dann,

Hier, sag ich, her, zum Herrn Dorfrichter Adam.

WALTER.

Zum Herrn Dorfrichter Adam?

ADAM.

Hier zu mir?

FRAU BRIGITTE.

Zu Euch, ja.

RUPRECHT.

Wird doch der Teufel nicht

In dem Gerichtshof wohnen?

FRAU BRIGITTE.

Mein Treu, ich weiß nicht,

Ob er in diesem Hause wohnt; doch hier,

Ich bin nicht ehrlich, ist er abgestiegen:

Die Spur geht hinten ein bis an die Schwelle.

ADAM.

Sollt er vielleicht hier durchpassiert –?

FRAU BRIGITTE.

Ja, oder durchpassiert. Kann sein. Auch das.

Die Spur vornaus –[299]

WALTER.

War eine Spur vornaus?

LICHT.

Vornaus, verzeihn Euer Gnaden, keine Spur.

FRAU BRIGITTE.

Ja, vornaus war der Weg zertreten.

ADAM.

Zertreten. Durchpassiert. Ich bin ein Schuft.

Der Kerl, paßt auf, hat den Gesetzen hier

Was angehängt. Ich will nicht ehrlich sein,

Wenn es nicht stinkt in der Registratur.

Wenn meine Rechnungen, wie ich nicht zweifle,

Verwirrt befunden werden sollten,

Auf meine Ehr, ich stehe für nichts ein.

WALTER.

Ich auch nicht.


Für sich.


Hm! Ich weiß nicht, war's der linke,

War es der rechte? Seiner Füße einer –

Herr Richter! Eure Dose! – Seid so gefällig.

ADAM.

Die Dose?

WALTER.

Die Dose. Gebt! hier!

ADAM zu Licht.

Bringt dem Herrn Gerichtsrat.

WALTER.

Wozu die Umständ? Einen Schritt gebraucht's.

ADAM.

Es ist schon abgemacht. Gebt Seiner Gnaden.

WALTER.

Ich hätt Euch was ins Ohr gesagt.

ADAM.

Vielleicht, daß wir nachher Gelegenheit –

WALTER.

Auch gut.


Nachdem sich Licht wieder gesetzt.


Sagt doch, ihr Herrn, ist jemand hier im Orte,

Der mißgeschaffne Füße hat?

LICHT.

Hm! Allerdings ist jemand hier in Huisum –

WALTER.

So? Wer?

LICHT.

Wollen Euer Gnaden den Herrn Richter fragen –

WALTER.

Den Herrn Richter Adam?

ADAM.

Ich weiß von nichts.

Zehn Jahre bin ich hier im Amt zu Huisum,

Soviel ich weiß, ist alles grad gewachsen.

WALTER zu Licht.

Nun? Wen hier meint Ihr?[300]

FRAU MARTHE.

Laß Er doch seine Füße draußen!

Was steckt Er untern Tisch verstört sie hin,

Daß man fast meint, Er wär die Spur gegangen.

WALTER.

Wer? Der Herr Richter Adam?

ADAM.

Ich? die Spur?

Bin ich der Teufel? Ist das ein Pferdefuß?


Er zeigt seinen linken Fuß.


WALTER.

Auf meine Ehr. Der Fuß ist gut.


Heimlich.


Macht jetzt mit der Session sogleich ein Ende.

ADAM.

Ein Fuß, wenn den der Teufel hätt,

So könnt er auf die Bälle gehn und tanzen.

FRAU MARTHE.

Das sag ich auch. Wo wird der Herr Dorfrichter –

ADAM.

Ach, was! Ich!

WALTER.

Macht, sag ich, gleich ein Ende.

FRAU BRIGITTE.

Den einz'gen Skrupel nur, ihr würd'gen Herrn,

Macht, dünkt mich, dieser feierliche Schmuck!

ADAM.

Was für ein feierlicher –?

FRAU BRIGITTE.

Hier, die Perücke!

Wer sah den Teufel je in solcher Tracht?

Ein Bau, getürmter, strotzender von Talg,

Als eines Domdechanten auf der Kanzel!

ADAM.

Wir wissen hierzuland nur unvollkommen,

Was in der Hölle Mod ist, Frau Brigitte!

Man sagt, gewöhnlich trägt er eignes Haar.

Doch auf der Erde, bin ich überzeugt,

Wirft er in die Perücke sich, um sich

Den Honoratioren beizumischen.

WALTER.

Nichtswürd'ger! Wert, vor allem Volk ihn schmachvoll

Vom Tribunal zu jagen! Was Euch schützt,

Ist einzig nur die Ehre des Gerichts.

Schließt Eure Session!

ADAM.

Ich will nicht hoffen –

WALTER.

Ihr hofft jetzt nichts. Ihr zieht Euch aus der Sache.[301]

ADAM.

Glaubt Ihr, ich hätte, ich, der Richter, gestern,

Im Weinstock die Perücke eingebüßt?

WALTER.

Behüte Gott! Die Eur' ist ja im Feuer,

Wie Sodom und Gomorrha, aufgegangen.

LICHT.

Vielmehr – vergebt mir, gnäd'ger Herr! die Katze

Hat gestern in die seinige gejungt.

ADAM.

Ihr Herrn, wenn hier der Anschein mich verdammt:

Ihr übereilt euch nicht, bitt ich. Es gilt

Mir Ehre oder Prostitution.

Solang die Jungfer schweigt, begreif ich nicht,

Mit welchem Recht ihr mich beschuldiget.

Hier auf dem Richterstuhl von Huisum sitz ich,

Und lege die Perücke auf den Tisch:

Den, der behauptet, daß sie mein gehört,

Fordr' ich vors Oberlandgericht in Utrecht.

LICHT.

Hm! Die Perücke paßt Euch doch, mein Seel,

Als wär auf Euren Scheiteln sie gewachsen.


Er setzt sie ihm auf.


ADAM.

Verleumdung!

LICHT.

Nicht?

ADAM.

Als Mantel um die Schultern

Mir noch zu weit, wie viel mehr um den Kopf.


Er besieht sich im Spiegel.


RUPRECHT.

Ei, solch ein Donnerwetter – Kerl!

WALTER.

Still, Er!

FRAU MARTHE.

Ei, solch ein blitz-verfluchter Richter, das!

WALTER.

Noch einmal, wollt Ihr gleich, soll ich die Sache enden?

ADAM.

Ja, was befehlt Ihr?

RUPRECHT zu Eve.

Eve, sprich, ist er's?

WALTER.

Was untersteht der Unverschämte sich?

VEIT.

Schweig du, sag ich.

ADAM.

Wart, Bestie! Dich faß ich.

RUPRECHT.

Ei, du Blitz-Pferdefuß!

WALTER.

Heda! der Büttel!

VEIT.

Halt's Maul, sag ich.[302]

RUPRECHT.

Wart! Heute reich ich dich.

Heut streust du keinen Sand mir in die Augen.

WALTER.

Habt Ihr nicht so viel Witz, Herr Richter –?

ADAM.

Ja, wenn Euer Gnaden

Erlauben, fäll ich jetzo die Sentenz.

WALTER.

Gut. Tut das. Fällt sie.

ADAM.

Die Sache jetzt konstiert,

Und Ruprecht dort, der Racker, ist der Täter.

WALTER.

Auch gut das. Weiter.

ADAM.

Den Hals erkenn ich

Ins Eisen ihm, und weil er ungebührlich

Sich gegen seinen Richter hat betragen,

Schmeiß ich ihn ins vergitterte Gefängnis.

Wie lange, werd ich noch bestimmen.

EVE.

Den Ruprecht –?

RUPRECHT.

Ins Gefängnis mich?

EVE.

Ins Eisen?

WALTER.

Spart eure Sorgen, Kinder – Seid Ihr fertig?

ADAM.

Den Krug meinthalb mag er ersetzen, oder nicht.

WALTER.

Gut denn. Geschlossen ist die Session.

Und Ruprecht appelliert an die Instanz zu Utrecht.

EVE.

Er soll, er, erst nach Utrecht appellieren?

RUPRECHT.

Was? Ich –?

WALTER.

Zum Henker, ja! Und bis dahin –

EVE.

Und bis dahin –?

RUPRECHT.

In das Gefängnis gehn?

EVE.

Den Hals ins Eisen stecken? Seid Ihr auch Richter?

Er dort, der Unverschämte, der dort sitzt,

Er selber war's –

WALTER.

Du hörst's, zum Teufel! Schweig!

Ihm bis dahin krümmt sich kein Haar –

EVE.

Auf, Ruprecht!

Der Richter Adam hat den Krug zerbrochen!

RUPRECHT.

Ei, wart, du!

FRAU MARTHE.

Er?[303]

FRAU BRIGITTE.

Der dort?

EVE.

Er, ja! Auf, Ruprecht!

Er war bei deiner Eve gestern!

Auf! Faß ihn! Schmeiß ihn jetzo, wie du willst.

WALTER steht auf.

Halt dort! Wer hier Unordnungen –

EVE.

Gleichviel!

Das Eisen ist verdient, geh Ruprecht!

Geh schmeiß ihn von dem Tribunal herunter.

ADAM.

Verzeiht, ihr Herrn.


Läuft weg.


EVE.

Hier! Auf!

RUPRECHT.

Halt ihn!

EVE.

Geschwind!

ADAM.

Was?

RUPRECHT.

Blitz-Hinketeufel!

EVE.

Hast du ihn?

RUPRECHT.

Gotts Schlag und Wetter!

Es ist sein Mantel bloß!

WALTER.

Fort! Ruft den Büttel!

RUPRECHT schlägt den Mantel.

Ratz! Das ist eins. Und Ratz! Und Ratz! Noch eins.

Und noch eins! In Ermangelung des Buckels.

WALTER.

Er ungezogner Mensch! – Schafft hier mir Ordnung!

– An ihm, wenn Er sogleich nicht ruhig ist,

Ihm wird der Spruch vom Eisen heut noch wahr.

VEIT.

Sei ruhig, du vertrackter Schlingel!


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1978, S. 293-304.
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