[304] Die Vorigen ohne Adam. –
Sie begeben sich alle in den Vordergrund der Bühne.
RUPRECHT.
Ei, Evchen!
Wie hab ich heute schändlich dich beleidigt!
Ei Gotts Blitz, alle Wetter; und wie gestern![304]
Ei, du mein goldnes Mädchen, Herzens-Braut!
Wirst du dein Lebtag mir vergeben können?
EVE wirft sich dem Gerichtsrat zu Füßen.
Herr! Wenn Ihr jetzt nicht helft, sind wir verloren!
WALTER.
Verloren? Warum das?
RUPRECHT.
Herr Gott! Was gibt's?
EVE.
Errettet Ruprecht von der Konskription!
Denn diese Konskription – der Richter Adam
Hat mir's als ein Geheimnis anvertraut,
Geht nach Ostindien; und von dort, Ihr wißt,
Kehrt von drei Männern einer nur zurück!
WALTER.
Was! Nach Ostindien! Bist du bei Sinnen?
EVE.
Nach Bantam, gnäd'ger Herr; verleugnet's nicht!
Hier ist der Brief, die stille heimliche
Instruktion, die Landmiliz betreffend,
Die die Regierung jüngst deshalb erließ:
Ihr seht, ich bin von allem unterrichtet.
WALTER nimmt den Brief und liest ihn.
O unerhört, arglistiger Betrug! –
Der Brief ist falsch!
EVE.
Falsch?
WALTER.
Falsch, so wahr ich lebe!
Herr Schreiber Licht, sagt selbst, ist das die Ordre,
Die man aus Utrecht jüngst an euch erließ?
LICHT.
Die Ordre! Was! Der Sünder, der! Ein Wisch,
Den er mit eignen Händen aufgesetzt! –
Die Truppen, die man anwarb, sind bestimmt
Zum Dienst im Landesinneren; kein Mensch
Denkt dran, sie nach Ostindien zu schicken!
EVE.
Nein, nimmermehr, ihr Herrn?
WALTER.
Bei meiner Ehre!
Und zum Beweise meines Worts: den Ruprecht,
Wär's so, wie du mir sagst: ich kauf ihn frei!
EVE steht auf.
O Himmel! Wie belog der Böswicht mich!
Denn mit der schrecklichen Besorgnis eben,
Quält' er mein Herz, und kam, zur Zeit der Nacht,[305]
Mir ein Attest für Ruprecht aufzudringen;
Bewies, wie ein erlognes Krankheitszeugnis,
Von allem Kriegsdienst ihn befreien könnte;
Erklärte und versicherte und schlich,
Um es mir auszufert'gen, in mein Zimmer:
So Schändliches, ihr Herren, von mir fordernd,
Daß es kein Mädchenmund wagt auszusprechen!
FRAU BRIGITTE.
Ei, der nichtswürdig-schändliche Betrüger
RUPRECHT.
Laß, laß den Pferdehuf, mein süßes Kind!
Sieh, hätt ein Pferd bei dir den Krug zertrümmert,
Ich wär so eifersüchtig just, als jetzt!
Sie küssen sich.
VEIT.
Das sag ich auch! Küßt und versöhnt und liebt euch;
Und Pfingsten, wenn ihr wollt, mag Hochzeit sein!
LICHT am Fenster.
Seht, wie der Richter Adam, bitt ich euch,
Berg auf, Berg ab, als flöh er Rad und Galgen,
Das aufgepflügte Winterfeld durchstampft!
WALTER.
Was? Ist das Richter Adam?
LICHT.
Allerdings!
MEHRERE.
Jetzt kommt er auf die Straße. Seht! seht!
Wie die Perücke ihm den Rücken peitscht!
WALTER.
Geschwind, Herr Schreiber, fort! Holt ihn zurück!
Daß er nicht Übel rettend ärger mache.
Von seinem Amt zwar ist er suspendiert,
Und Euch bestell ich, bis auf weitere
Verfügung, hier im Ort es zu verwalten;
Doch sind die Kassen richtig, wie ich hoffe,
Zur Desertion ihn zwingen will ich nicht.
Fort! Tut mir den Gefallen, holt ihn wieder![306]
Ausgewählte Ausgaben von
Der zerbrochene Krug
|
Buchempfehlung
Autobiografisches aus dem besonderen Verhältnis der Autorin zu Franz Grillparzer, der sie vor ihrem großen Erfolg immerwieder zum weiteren Schreiben ermutigt hatte.
40 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro