Zweiter Auftritt

[241] Ein Bedienter tritt auf. Die Vorigen. – Nachher: Zwei Mägde.


DER BEDIENTE.

Gott helf, Herr Richter! Der Gerichtsrat Walter

Läßt seinen Gruß vermelden, gleich wird er hier sein.

ADAM.

Ei, du gerechter Himmel! Ist er mit Holla

Schon fertig?

DER BEDIENTE.

Ja, er ist in Huisum schon.

ADAM.

He! Liese! Grete!

LICHT.

Ruhig, ruhig jetzt.

ADAM.

Gevatterchen!

LICHT.

Laßt Euern Dank vermelden.

DER BEDIENTE.

Und morgen reisen wir nach Hussahe.

ADAM.

Was tu ich jetzt? Was laß ich?


Er greift nach seinen Kleidern.


ERSTE MAGD tritt auf.

Hier bin ich, Herr.

LICHT.

Wollt Ihr die Hosen anziehn? Seid Ihr toll?

ZWEITE MAGD tritt auf.

Hier bin ich, Herr Dorfrichter.

LICHT.

Nehmt den Rock.

ADAM sieht sich um.

Wer? Der Gerichtsrat?

LICHT.

Ach, die Magd ist es.

ADAM.

Die Beffchen! Mantel! Kragen!

ERSTE MAGD.

Erst die Weste!

ADAM.

Was? – Rock aus! Hurtig!

LICHT zum Bedienten.

Der Herr Gerichtsrat werden[241]

Hier sehr willkommen sein. Wir sind sogleich

Bereit ihn zu empfangen. Sagt ihm das.

ADAM.

Den Teufel auch! Der Richter Adam läßt sich

Entschuldigen.

LICHT.

Entschuldigen!

ADAM.

Entschuld'gen.

Ist er schon unterwegs etwa?

DER BEDIENTE.

Er ist

Im Wirtshaus noch. Er hat den Schmidt bestellt;

Der Wagen ging entzwei.

ADAM.

Gut. Mein Empfehl.

Der Schmidt ist faul. Ich ließe mich entschuld'gen.

Ich hätte Hals und Beine fast gebrochen,

Schaut selbst, 's ist ein Spektakel, wie ich ausseh;

Und jeder Schreck purgiert mich von Natur.

Ich wäre krank.

LICHT.

Seid Ihr bei Sinnen? –

Der Herr Gerichtsrat wär sehr angenehm.

– Wollt Ihr?

ADAM.

Zum Henker!

LICHT.

Was?

ADAM.

Der Teufel soll mich holen,

Ist's nicht so gut, als hätt ich schon ein Pulver!

LICHT.

Das fehlt noch, daß Ihr auf den Weg ihm leuchtet.

ADAM.

Margrete! he! Der Sack voll Knochen! Liese!

DIE BEIDEN MÄGDE.

Hier sind wir ja. Was wollt Ihr?

ADAM.

Fort! sag ich.

Kuhkäse, Schinken, Butter, Würste, Flaschen,

Aus der Registratur geschafft! Und flink! –

Du nicht. Die andere. – Maulaffe! Du ja!

– Gotts Blitz, Margrete! Liese soll, die Kuhmagd,

In die Registratur!


Die erste Magd geht ab.


DIE ZWEITE MAGD.

Sprecht, soll man Euch verstehn![242]

ADAM.

Halt's Maul jetzt, sag ich –! Fort! schaff mir die Perücke!

Marsch! Aus dem Bücherschrank! Geschwind! Pack dich!


Die zweite Magd ab.


LICHT zum Bedienten.

Es ist dem Herrn Gerichtsrat, will ich hoffen,

Nichts Böses auf der Reise zugestoßen?

DER BEDIENTE.

Je, nun! Wir sind im Hohlweg umgeworfen.

ADAM.

Pest! Mein geschundner Fuß! Ich krieg die Stiefeln –

LICHT.

Ei, du mein Himmel! Umgeworfen, sagt Ihr?

Doch keinen Schaden weiter –?

DER BEDIENTE.

Nichts von Bedeutung.

Der Herr verstauchte sich die Hand ein wenig.

Die Deichsel brach.

ADAM.

Daß er den Hals gebrochen!

LICHT.

Die Hand verstaucht! Ei, Herr Gott! Kam der Schmidt schon?

DER BEDIENTE.

Ja, für die Deichsel.

LICHT.

Was?

ADAM.

Ihr meint, der Doktor.

LICHT.

Was?

DER BEDIENTE.

Für die Deichsel?

ADAM.

Ach, was! Für die Hand.

DER BEDIENTE.

Adies, ihr Herrn. – Ich glaub, die Kerls sind toll.


Ab.


LICHT.

Den Schmidt meint ich.

ADAM.

Ihr gebt Euch bloß, Gevatter.

LICHT.

Wieso?

ADAM.

Ihr seid verlegen.

LICHT.

Was!


Die erste Magd tritt auf.


ADAM.

He! Liese!

Was hast du da?

ERSTE MAGD.

Braunschweiger Wurst, Herr Richter.[243]

ADAM.

Das sind Pupillenakten.

LICHT.

Ich, verlegen!

ADAM.

Die kommen wieder zur Registratur.

ERSTE MAGD.

Die Würste?

ADAM.

Würste! Was! Der Einschlag hier.

LICHT.

Es war ein Mißverständnis.

DIE ZWEITE MAGD tritt auf.

Im Bücherschrank,

Herr Richter, find ich die Perücke nicht.

ADAM.

Warum nicht?

ZWEITE MAGD.

Hm! Weil Ihr –

ADAM.

Nun?

ZWEITE MAGD.

Gestern abend –

Glock eilf –

ADAM.

Nun? Werd ich's hören?

ZWEITE MAGD.

Ei, Ihr kamt ja,

Besinnt Euch, ohne die Perück ins Haus.

ADAM.

Ich, ohne die Perücke?

ZWEITE MAGD.

In der Tat.

Da ist die Liese, die's bezeugen kann.

Und Eure andr' ist beim Perückenmacher.

ADAM.

Ich wär –?

ERSTE MAGD.

Ja, meiner Treu, Herr Richter Adam!

Kahlköpfig wart Ihr, als Ihr wiederkamt;

Ihr spracht, Ihr wärt gefallen, wißt Ihr nicht?

Das Blut mußt ich Euch noch vom Kopfe waschen.

ADAM.

Die Unverschämte!

ERSTE MAGD.

Ich will nicht ehrlich sein.

ADAM.

Halt's Maul, sag ich, es ist kein wahres Wort.

LICHT.

Habt Ihr die Wund seit gestern schon?

ADAM.

Nein, heut.

Die Wunde heut und gestern die Perücke.

Ich trug sie weiß gepudert auf dem Kopfe,

Und nahm sie mit dem Hut, auf Ehre, bloß,

Als ich ins Haus trat, aus Versehen ab.

Was die gewaschen hat, das weiß ich nicht.

– Scher dich zum Satan, wo du hingehörst![244]

In die Registratur!


Erste Magd ab.


Geh, Margarete!

Gevatter Küster soll mir seine borgen;

In meine hätt die Katze heute morgen

Gejungt, das Schwein! Sie läge eingesäuet

Mir unterm Bette da, ich weiß nun schon.

LICHT.

Die Katze? Was? Seid Ihr –?

ADAM.

So wahr ich lebe.

Fünf Junge, gelb und schwarz, und eins ist weiß.

Die schwarzen will ich in der Vecht ersäufen.

Was soll man machen? Wollt Ihr eine haben?

LICHT.

In die Perücke?

ADAM.

Der Teufel soll mich holen!

Ich hatte die Perücke aufgehängt,

Auf einen Stuhl, da ich zu Bette ging,

Den Stuhl berühr ich in der Nacht, sie fällt –

LICHT.

Drauf nimmt die Katze sie ins Maul –

ADAM.

Mein Seel –

LICHT.

Und trägt sie unters Bett und jungt darin.

ADAM.

Ins Maul? Nein –

LICHT.

Nicht? Wie sonst?

ADAM.

Die Katz? Ach, was!

LICHT.

Nicht? Oder Ihr vielleicht?

ADAM.

Ins Maul! Ich glaube –!

Ich stieß sie mit dem Fuße heut hinunter,

Als ich es sah.

LICHT.

Gut, gut.

ADAM.

Kanaillen die!

Die balzen sich und jungen, wo ein Platz ist.

ZWEITE MAGD kichernd.

So soll ich hingehn?

ADAM.

Ja, und meinen Gruß

An Muhme Schwarzgewand, die Küsterin.

Ich schickt ihr die Perücke unversehrt

Noch heut zurück – ihm brauchst du nichts zu sagen.

Verstehst du mich?

ZWEITE MAGD.

Ich werd es schon bestellen.


Ab.
[245]


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1978, S. 241-246.
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