Fünfter Auftritt

[303] Teuthold und zwei andre Männer treten auf.


DER ZWEITE CHERUSKER.

Teuthold, heran!

TEUTHOLD.

Was gibt's?

DER ZWEITE CHERUSKER.

Heran hier, sag ich! –

Platz, Freunde, bitt ich! Laßt den Vater vor!

TEUTHOLD.

Was ist geschehn?

DER ZWEITE CHERUSKER.

Gleich, gleich! – Hier stell dich her!

Die Fackeln! He, ihr Leute! Leuchtet ihm!

TEUTHOLD.

Was habt ihr vor?

DER ZWEITE CHERUSKER.

Hör an und faß dich kurz. –

Kennst du hier die Person?

TEUTHOLD.

Wen, meine Freunde?

DER ZWEITE CHERUSKER.

Hier, frag ich, die verschleierte Person?

TEUTHOLD.

Nein! Wie vermöcht ich das? Welch ein Geheimnis!

DER GREIS.

Du kennst sie nicht?

DER ERSTE DER BEIDEN VETTERN.

Darf man den Schleier lüften?

DER ERSTE CHERUSKER.

Halt, sag ich dir! Den Schleier rühr nicht an!

DER ZWEITE VETTER.

Wer die Person ist, fragt ihr?


Er nimmt eine Fackel und beleuchtet ihre Füße.


TEUTHOLD.

Gott im Himmel!

Hally, mein Einziges, was widerfuhr dir?


Der Greis führt ihn auf die Seite und sagt ihm etwas ins Ohr. Teuthold steht, wie vom Donner gerührt. Die Vettern, die ihm gefolgt waren, erstarren gleichfalls. Pause.


DER ZWEITE CHERUSKER.

Genug! Die Fackeln weg! Führt sie ins Haus!

Ihr aber eilt den Hermann herzurufen![303]

TEUTHOLD indem er sich plötzlich wendet.

Halt dort!

DER ERSTE CHERUSKER.

Was gibt's?

TEUTHOLD.

Halt, sag ich, ihr Cherusker!

Ich will sie führen, wo sie hingehört.


Er zieht den Dolch.


– Kommt, meine Vettern, folgt mir!

DER ZWEITE CHERUSKER.

Mann, was denkst du?

TEUTHOLD zu den Vettern.

Rudolf, du nimmst die Rechte, Ralf, die Linke!

– Seid ihr bereit, sagt an?

DIE VETTERN indem sie die Dolche ziehn.

Wir sind's! Brich auf!

TEUTHOLD bohrt sie nieder.

Stirb! Werde Staub! Und über deiner Gruft

Schlag ewige Vergessenheit zusammen!


Sie fällt, mit einem kurzen Laut, übern Haufen.


DAS VOLK.

Ihr Götter!

DER ERSTE CHERUSKER fällt ihm in den Arm.

Ungeheuer! Was beginnst du?

EINE STIMME aus dem Hintergrunde.

Was ist geschehn?

EINE ANDERE.

Sprecht!

EINE DRITTE.

Was erschrickt das Volk?

DAS VOLK durcheinander.

Weh! Weh! Der eigne Vater hat, mit Dolchen,

Die eignen Vettern, sie in Staub geworfen!

TEUTHOLD indem er sich über die Leiche wirft.

Hally! Mein einz'ges! Hab ich's recht gemacht?[304]


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 303-305.
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