Vierter Auftritt

[301] Ein Auflauf. – Zuerst ein Greis und andere, bald darauf zwei Cherusker, welche eine Person aufführen, die ohnmächtig ist. Fackeln. Volk jeden Alters und Geschlechts.


DER GREIS mit aufgehobenen Händen.

Wodan, den Blitz regierst du, in den Wolken:

Und einen Greul, entsetzensvoll,

Wie den, läßt du auf Erden sich verüben!

EIN JUNGES MÄDCHEN.

Mutter, was gibt's?

EIN ANDERES.

Was läuft das Volk zusammen?

DIE MUTTER mit einem Kinde an der Brust.

Nichts, meine Töchter, nichts! Was fragt ihr doch?

Ein Mensch, der auf der offnen Straß erkrankte,

Wird von den Freunden hier vorbeigeführt.

EIN MANN indem er auftritt.

Habt ihr gesehn? Den jungen Römerhauptmann,

Der plötzlich, mit dem Federbusch, erschien?

EIN ANDERER.

Nein, Freund! Von wo?[301]

EIN DRITTER.

Was tat er?

DER MANN.

Was er tat?

Drei'n dieser geilen apennin'schen Hunden,

Als man die Tat ihm meldete,

Hat er das Herz gleich mit dem Schwert durchbohrt!

DER GREIS.

Vergib mir, Gott! ich kann es ihm nicht danken!

EIN WEIB aus dem Haufen.

Da kommt die Unglücksel'ge schon heran!


Die Person, von zwei Cheruskern geführt, erscheint.


DER GREIS.

Hinweg die Fackeln!

DAS VOLK.

Seht, o seht!

DER GREIS.

Hinweg!

– Seht ihr nicht, daß die Sonne sich verbirgt?

DAS VOLK.

O des elenden, schmachbedeckten Wesens!

Der fußzertretnen, kotgewälzten,

An Brust und Haupt, zertrümmerten Gestalt.

EINIGE STIMMEN.

Wer ist's? Ein Mann? Ein Weib?

DER CHERUSKER der die Person führt.

Fragt nicht, ihr Leute,

Werft einen Schleier über die Person!


Er wirft ein großes Tuch über sie.


DER ZWEITE CHERUSKER der sie führt.

Wo ist der Vater?

EINE STIMME aus dem Volke.

Der Vater ist der Teuthold!

DER ZWEITE CHERUSKER.

Der Teuthold, Helgars Sohn, der Schmidt der Waffen?

MEHRERE STIMMEN.

Teuthold, der Schmidt, er, ja!

DER ZWEITE CHERUSKER.

Ruft ihn herbei!

DAS VOLK.

Da tritt er schon, mit seinen Vettern, auf![302]


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 301-303.
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