Vierzehnter Auftritt

[331] Die Vorigen ohne den Septimius.


HERMANN.

Steckt das Fanal in Brand, ihr Freunde,

Zum Zeichen Marbod und den Sueven,

Daß wir nunmehr zum Schlagen fertig sind!


Ein Fanal wird angesteckt.
[331]

Die Barden! He! Wo sind die süßen Alten

Mit ihrem herzerhebenden Gesang?

WINFRIED.

Ihr Sänger, he! Wo steckt ihr?

EGBERT.

Ha, schau her!

Dort, auf dem Hügel, wo die Fackeln schimmern!

WINFRIED.

Horch! Sie beginnen dir das Schlachtlied schon!


Musik.


CHOR DER BARDEN aus der Ferne.

Wir litten menschlich seit dem Tage,

Da jener Fremdling eingerückt;

Wir rächten nicht die erste Plage,

Mit Hohn auf uns herabgeschickt;

Wir übten, nach der Götter Lehre,

Uns durch viel Jahre im Verzeihn:

Doch endlich drückt des Joches Schwere,

Und abgeschüttelt will es sein!


Hermann hat sich, mit vorgestützter Hand, an den Stamm einer Eiche gelehnt. – Feierliche Pause. – Die Feldherren sprechen heimlich miteinander.


WINFRIED nähert sich ihm.

Mein Fürst, vergib! Die Stunde drängt,

Du wolltest uns den Plan der Schlacht –

HERMANN wendet sich.

Gleich, gleich! –

– Du, Bruder, sprich für mich, ich bitte dich.


Er sinkt, heftig bewegt, wieder an die Eiche zurück.


EIN HAUPTMANN.

Was sagt er?

EIN ANDERER.

Was?

WINFRIED.

Laßt ihn. – Er wird sich fassen

Kommt her, daß ich den Schlachtplan euch entdecke!


Er versammelt die Anführer um sich.


Wir stürzen uns, das Heer zum Keil geordnet,

Hermann und ich, vorn an der Spitze,

Grad auf den Feldherrn des Augustus ein!

Sobald ein Riß das Römerheer gesprengt,[332]

Nimmst du die erste Legion,

Die zweite du, die dritte du!

In Splittern völlig fällt es auseinander.

Das Endziel ist, den Marbod zu erreichen;

Wenn wir zu diesem, mit dem Schwert,

Uns kämpfend einen Weg gebahnt,

Wird der uns weitere Befehle geben.

CHOR DER BARDEN fällt wieder ein.

Du wirst nicht wanken und nicht weichen,

Vom Amt, das du dir kühn erhöht,

Die Regung wird dich nicht beschleichen,

Die dein getreues Volk verrät;

Du bist so mild, o Sohn der Götter,

Der Frühling kann nicht milder sein:

Sei schrecklich heut, ein Schloßenwetter,

Und Blitze laß dein Antlitz spein!


Die Musik schweigt. – Kurze Pause. – Ein Hörnertusch in der Ferne.


EGBERT.

Ha! Was war das?

HERMANN in ihre Mitte tretend.

Antwortet! Das war Marbod!


Ein Hörnertusch in der Nähe.


Auf! – Mana und die Helden von Walhalla!


Er bricht auf.


EGBERT tritt ihn an.

Ein Wort, mein Herr und Herrscher! Winfried! Hört mich!

Wer nimmt die Deutschen, das vergaßt ihr,

Die sich dem Zug der Römer angeschlossen?

HERMANN.

Niemand, mein Freund! Es soll kein deutsches Blut,

An diesem Tag, von deutschen Händen fließen!

EGBERT.

Was! Niemand! hört ich recht? Es wär dein Wille –?

HERMANN.

Niemand! So wahr mir Wodan helfen mög!

Sie sind mir heilig; ich berief sie,

Sich mutig unsern Scharen anzuschließen!

EGBERT.

Was! Die Verräter, Herr, willst du verschonen,

Die grimm'ger, als die Römer selbst,

In der Cheruska Herzen wüteten?[333]

HERMANN.

Vergebt! Vergeßt! Versöhnt, umarmt und liebt euch!

Das sind die Wackersten und Besten,

Wenn es nunmehr die Römerrache gilt! –

Hinweg! – Verwirre das Gefühl mir nicht!

Varus und die Kohorten, sag ich dir;

Das ist der Feind, dem dieser Busen schwillt!


Alle ab.


Szene: Teutoburg. Garten hinter dem Fürstenzelt. Im Hintergrund ein eisernes Gitter, das in einen, von Felsen eingeschlossenen, öden Eichwald führt.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 331-334.
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