Funfzehnter Auftritt

[334] Thusnelda und Gertrud treten auf.


THUSNELDA.

Was war's, sag an, was dir Ventidius gestern,

Augusts Legat gesagt, als du ihm früh

Im Eingang des Gezelts begegnetest?

GERTRUD.

Er nahm, mit schüchterner Gebärde, meine Königin,

Mich bei der Hand, und einen Ring

An meinen Finger flüchtig steckend,

Bat und beschwor er mich, bei allen Kindern Zeus',

Ihm in geheim zu Nacht Gehör zu schaffen,

Bei der, die seine Seele innig liebt.

Er schlug, auf meine Frage: wo?

Hier diesen Park mir vor, wo zwischen Felsenwänden,

Das Volk sich oft vergnügt, den Ur zu hetzen;

Hier, meint' er, sei es still, wie an dem Lethe,

Und keines läst'gen Zeugen Blick zu fürchten,

Als nur der Mond, der ihm zur Seite buhlt.[334]

THUSNELDA.

Du hast ihm meine Antwort überbracht?

GERTRUD.

Ich sagt ihm: wenn er heut, beim Untergang des Mondes,

Eh noch der Hahn den Tag bekräht,

Den Eichwald, den er meint, besuchen wollte,

Würd ihn daselbst die Landesfürstin,

Sie, deren Seele heiß ihn liebt,

Am Eingang gleich, zur Seite rechts, empfangen.

THUSNELDA.

Und nun hast du, der Bärin wegen,

Die Hermann jüngst im Walde griff,

Mit Childrich, ihrem Wärter, dich besprochen?

GERTRUD.

Es ist geschehn, wie mir dein Mund geboten;

Childrich, der Wärter, führt sie schon heran! –

Doch, meine große Herrscherin,

Hier werf ich mich zu Füßen dir:

Die Rache der Barbaren sei dir fern!

Es ist Ventidius nicht, der mich mit Sorg erfüllt;

Du selbst, wenn nun die Tat getan,

Von Reu und Schmerz wirst du zusammenfallen!

THUSNELDA.

Hinweg! – Er hat zur Bärin mich gemacht!

Arminius' will ich wieder würdig werden!


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 334-335.
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