[337] Ventidius tritt auf. – Thusnelda und Gertrud.
VENTIDIUS.
Dies ist der stille Park, von Bergen eingeschlossen,
Der, auf die Lispelfrage: wo?
Mir gestern in die trunknen Sinne fiel!
Wie mild der Mondschein durch die Stämme fällt!
Und wie der Waldbach fern, mit üppigem Geplätscher,
Vom Rand des hohen Felsens niederrinnt! –
Thusnelda! Komm und lösche diese Glut,
Soll ich, gleich einem jungen Hirsch,
Das Haupt voran, mich in die Flut nicht stürzen! –
Gertrud! – – So hieß ja, dünkt mich, wohl die Zofe,
Die mir versprach, mich in den Park zu führen?
Gertrud steht und kämpft mit sich selbst.
THUSNELDA mit gedämpfter Stimme.
Fort! Gleich! Hinweg! Du hörst! Gib ihm die Hand,
Und führ ihn in den Park hinein!
GERTRUD.
Geliebte Königin?!
THUSNELDA.
Bei meiner Rache!
Fort, augenblicks, sag ich! Gib ihm die Hand,
Und führ ihn in den Park hinein!
GERTRUD fallt ihr zu Füßen.
Vergebung, meine Herrscherin, Vergebung!
THUSNELDA ihr ausweichend.
Die Närrin, die verwünschte, die! Sie auch
Ist in das Affenangesicht verliebt!
Sie reißt ihr den Schlüssel aus der Hand und geht zu Ventidius.
VENTIDIUS.
Gertrud, bist du's?
THUSNELDA.
Ich bin's.
VENTIDIUS.
O sei willkommen,
Du meiner Juno süße Iris,
Die mir Elysium eröffnen soll! –[337]
Komm, gib mir deine Hand, und leite mich!
– Mit wem sprachst du?
THUSNELDA.
Thusnelden, meiner Fürstin.
VENTIDIUS.
Thusnelden! Wie du mich entzückst!
Mir wär die Göttliche so nah?
THUSNELDA.
Im Park, dem Wunsch gemäß, den du geäußert,
Und heißer Brunst voll harrt sie schon auf dich!
VENTIDIUS.
O so eröffne schnell die Tore mir!
Komm her! Der Saturniden Wonne
Ersetzt mir solche Augenblicke nicht!
Thusnelda läßt ihn ein. Wenn er die Tür hinter sich hat, wirft sie dieselbe mit Heftigkeit zu, und zieht den Schlüssel ab.
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Die Hermannsschlacht
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