Zweite Szene


[912] Gesandtin. Gesandter.


GESANDTIN. Gewiß nicht, Lieber!

GESANDTER. Nein, dir liegt was auf'm Herzen, und was dir ist, ist mir auch; dir kann nichts wehe tun, was ich nicht doppelt fühle. Laß mich den Gedanken nicht herumschleppen! Um meiner Ruhe willen, liebes Malchen, sag, was ist dir?

GESANDTIN. Nichts, Wilhelm, nichts. Du kennst mein weiches Herz, du weißt, was die Einbildung für Vermögen über mich hat, wenn sich einmal so was eingeschlichen hat – es ist würklich nichts, lauter Einbildung, sei ruhig!

GESANDTER. Malchen![912]

GESANDTIN. Sieh mich nicht so an, ich möchte gleich weinen. Gütigster! wie verdien ich's!

GESANDTER. Wie kannst du so was sagen, Beste? es kränkt mich. Sag, was kann ich tun? alles will ich tun. Ich fürcht immer, ich begegnete dir nicht wie ich sollte. Ach, daß man nicht sein eigen ist, und so die Stunden des Lebens einem vergällt werden. Du mußt denken, die Schuld sei oft nicht mein.

GESANDTIN. Genug, genug, lieber Wilhelm! ich wär glücklich. Du hast Wort gehalten, heiliges Wort hast du gehalten. Du gehst mit mir um – Wilhelm!

GESANDTER. Und du! Find ich nicht alle meine Glückseligkeit in dir? Wenn ich nur so eine Stunde des Tages mit dir zubringen kann, bin ich getröstet, und müßt ich auch noch einmal soviel Beschwerden und Bitterkeiten ausstehen. So ein Weib wie du – liebes Malchen, was sind denn alle Bitterkeiten der Welt. Malchen!

GESANDTIN. Zu wem sagst du das?

GESANDTER. Du bist doch gar zu weich. Weinst schon wieder. Du mußt was haben, das dir Kummer macht. Sag mir's; ich kann nicht ruhig sein.

GESANDTIN. Nichts, nichts.


Geheimderat kommt.


GEHEIMDERAT. Was das heißen soll, was das bedeuten soll? Für was halten sie mich? Guten Morgen, Malchen, hast ja gar geweint.

GESANDTIN. Freude, lieber Papa!

GEHEIMDERAT. Das ist mir lieb, Malchen. Man muß jede Stunde nehmen, das Leben zu fühlen. Ich haß es am Menschen, der sich nur einen Augenblick durch was verdirbt. Was das bedeuten soll? Sie lassen mir die Audienz absagen.

GESANDTER. Die Audienz absagen?

GEHEIMDERAT. Ja, ja, die Audienz beim Fürsten. Es wird ihm nicht gelegen sein; mag's! Ich muß hier stille sitzen, soll nicht an Hof gehen. Kein Wunder, ich rennte hin. Einen ehrlichen Mann herumzuführen! Warum war ich ehrlich? Daß sie mich foppen jetzt? Sollte man nicht die Stunde verfluchen, die man ihnen aufgeopfert? Mein Leben und Kraft. Ein Schurke hätt ich sein sollen, dumm und boshaft. Verzeih mir Gott, ich will so bleiben.

GESANDTER. Geduld! Geduld!

GEHEIMDERAT. Freilich.

GESANDTIN. Lieber Papa, es wird so schlimm nicht sein.[913]

GEHEIMDERAT. Ja, wenn's die Weiber einmal sähen! Nun, was wollen sie, was können sie wollen! Ich bin zwanzig Jahr in Diensten, hab ihnen das Land gestellt, wie's jetzt steht. Sie sollen herumgehen, wo's fehlt. An keinem Ort, wo ich zu tun hatte, außer wo die Jungens die Nase hinsteckten. Die feinen Kavaliers, die nichts tun, als Weiber und Töchter verführen und sich herausputzen. Fällt ihnen ein dummer Gedanke beim Wein ein, flugs zum Fürsten, der hört denn alles, da geht's krebsgängig, auf die letzt muß denn doch der alte Rat herbei –

GESANDTER. Wohl, daß es so ist!

GEHEIMDERAT. Ja wohl. Laßt mich meine Rechtschaffenheit ins Grab mitnehmen; ich mag weiter nichts. Fecht jeder, der nachkommt. Ich hab Kinder, die mich freuen. Nicht wahr, Maidel, ich muß dich immer so heißen, kleines zartes Ding?

GESANDTIN. Lieber Papa.

GEHEIMDERAT. Hätt der Franz ein bißchen von dir! Nun, er ist auch gut, er wird ein edler, redlicher Kerl. Das ist freilich nun gefährlich. Nu, nu, mein Reichtum.

GESANDTIN. Soll ich 's Frühstück holen?

GEHEIMDERAT. Tu's, mach mir ein Butterbrot, Malchen!

GESANDTIN. Recht gern.

GEHEIMDERAT. Auch hat uns der Graf auf diesen Abend invitieren lassen.

GESANDTER. Haben Sie zugesagt?

GEHEIMDERAT. Nicht anders. Fürchten wir uns für ihm? Ich will's ihm unter die Nase reiben. Er soll mir nur kein Wesen machen!

GESANDTER. Geduld!

GEHEIMDERAT. Und das sagt er immer. Freilich Geduld, das Weibsding müssen wir herbergen. O mir nagt's am Herzen! Wer kann dafür? Es lernt sich viel. Da kommt 's Frühstück. Laß die Kleinen kommen, Malchen, daß sie mir was vorlallen, da ist's doch noch wahr.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 912-914.
Lizenz:
Kategorien: