[228] Von Wandor, Wittekinds Barden.
Säumst du noch immer an der Waldung auf dem Heerd', und schläfst
Scheinbar denkend ein? Wecket dich der silberne Reif
Des Decembers, o du Zärtling! nicht auf?
Noch die Gestirne des krystallnen Sees?
Lachend erblick' ich dich am Feuer, in des Wolfes Pelz,
Blutig noch vom Pfeil, welcher dem entscheidenden Blick,
In die Seite des Eroberers schnell
Folgte, dass nieder in den Strauch er sank.
[229]
Auf denn, erwache! Der December hat noch nie so schön,
Nie so sanft, wie heut, über dem Gefilde gestrahlt!
Und die Blume von dem nächtlichen Frost
Blühte noch niemals, wenn es tagte, so!
Neide mich! schon, von dem Gefühle der Gesundheit froh,
Hab' ich, weit hinab, weiss an dem Gestade gemacht
Den bedeckenden Krystall, und geschwebt
Eilend, als sänge der Bardiet den Tanz.
Unter dem flüchtigeren Fusse, vom geschärften Stahl
Leicht getragen, scholl schnelleres Getöne der Bahn!
Auf den Moosen in dem grünlichen See,
Floh mit vorüber, wie ich floh, mein Bild.
Aber nun wandelt' an dem Himmel der erhabne Mond
Wolkenlos herauf, nahte die Begeistrung mit ihm,
O wie trunken von den Mimer! Ich sah
Fern in den Schatten an dem Dichterhain
[230]
Braga! Es tönet' an der Schulter ihm kein Köcher nicht,
Aber unterm Fuss tönete, wie Silber, der Stahl,
Da gewandt er aus der Nacht in den Glanz
Schwebt', und nur leise den Krystall betrat.
Sing, es umkränzete die Schläfen ihm der Eiche Laub!
Sings, o Bardenlied, schimmernder bereifet war ihm
Der beschattende glasorische Kranz!
Golden sein Haar, und wie der Kranz bereift!
Feurig beseelet er die Saiten, und der Felsen lernts,
Denn die Telyn scholl! Tapfere belohnte sein Lied,
Und den Weisen! von den Ehren Walhalls
Rauscht' es in freudigerem Strophengang.
Ha, wie sie blutet', und den Adler aus der Wolke rief
Meine Lanze! Sangs, schwebete vorüber den Tanz
Des Bardiets wie in Orkanen, itzt schnell,
Langsamer jetzo mit gehaltnem Schwung.
[231]
Schlaget, ihr Adler, mit den Fittigen, und komt zum Mahl!
Trinket warmes Blut! Schwebete den Tanz des Bardiets
In dem schimmernden Gedüfte! So schön
Schwang sich Apollo Patareus nicht her!
Leichtere Spiele der Bewegungen begann er jetzt',
Leichtern Bardenton: Lehre, was ich singe, den Hain!
An dem Hebrus, wie der Grieche das träumt,
Über der Woge von Krystall erfand
Diese Beflüglungen des Stahles, so den Sturm ereilt,
Thrazens Orpheus nicht! eilete damit auf dem Strom
Zu Euridize nicht, hin! des Walhalls
Sänger, umdränget von Enherion,
Ioh, der Begeisterer des Barden und des Skalden, ich,
Tön' es, Telyn, laut! hör' es du am Hebrus! erfand,
Vor der Lanze, und dem Sturme vorbey
Siegend zu schweben! Und den schönen Sohn
[232]
Siphia's lehrt' ich es! Wie blinken ihm sein Fuss und Pfeil!
Lehrts Tialf, dem nie einer in dem Laufe voran,
Wie des Zaubernden beseeltes Gebild,
Tönte! Da röthete der Zorn Tialf!
Lehrt' es den tapfersten der Könige des hohen Nord;
Dennoch floh vor ihm Russiens Elissif! Hätt' ihn
Denn geflohen der Unsterblichen Stolz,
Nossa denn, Thörin? Er entschwebt, sein Kranz
Rauscht wie von Westen, und es wehet ihm sein goldnes Haar!
Seiner Ferse Klang fernte sich hinab am Gebirg,
Bis er endlich in der Düfte Gewölk
Unter dem Hange des Gebirgs verschwand.
Buchempfehlung
Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.
110 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro