[265] Insel der froheren Einsamkeit,
Geliebte Gespielin des Wiederhalls
Und des Sees, welcher itzt breit, dann, versteckt
Wie ein Strom, rauscht an des Walds Hügeln umher,
Selber von steigenden Hügeln voll,
Auf denen im Rohr die Moräne weilt,
Sich des Garns Tücke nicht naht, und den Wurm
An dem Stahl, leidend mit ihm, ferne beklagt.
Flüchtige Stunden verweilt' ich nur
An deinem melodischen Schilfgeräusch;
Doch verlässt nie dein Phantom meinen Geist,
Wie ein Bild, welches mit Lust Geniushand
[266]
Bildete, trotzt der Vergessenheit!
Der Garten des Fürsten verdorrt, und wächst
Zu Gesträuch, über des Strauchs Wildniss hebt
Sich der Kunst meisterhaft Werk daurend empor.
Neben dir schattet des Sachsen Wald,
Sein Schwert war entscheidend, und kurz sein Wort!
Und um dich glänzeten nie Schilde Roms,
Sein Despot sendete nie Adler dir zu!
Ruhiger wandelt' in deinem Thal
Der Göttinnen beste, die sanfte Hlyn.
Es erscholl freudiges Klangs Braga's Lied
Um dich her, mischte nicht ein Rufe der Schlacht.
Über dem stolzeren Strome nur,
Der Ham sich vorüber ins Meer ergiesst,
Da umgab Blut den Bardiet, liess den Speer
Mit des Lieds schreckendem Drohn fliegen der Gott!
Aber wenn Hertha zum Bade zog,
So eilete Braga zu dir zurück,
So begann Lenzmelodie, liess der Gott
Bey des Lieds Tanze dahin sinken den Speer.
[267]
Seines Gesanges erschallet noch;
Mich lehret er älteren deutschen Ton,
Wenn entwölkt wallet der Mond, und es sanft
Um das Grab derer ertönt, welchen er sang.
Horchend dem lehrenden Liede, säng'
Ich deinen Bepflanzer, o Insel, nähm'
Ich des Hains Flügel, nnd eilt', heilig Laub
In der Hand, ihm, wo der Ruhm ewiget, nach!
Aber entweihet, entweihet ward
Die Leyer, die Flüge des Lobes flog!
Dem Verdienst selten getreu, rauschte sie
Um das Ohr dess, der an That dürftig, verschwand.
Leyer des heiligen Bardenhais,
Verwünsche des Ehreverschwenders Lied,
So zuerst, trügenden Glanz, den besang!
Und der That lautes Verbot, das nicht vernahm!
Kühner Verschwender! nun glauben sie
Der edleren Dichter Gesange nicht;
(Es verweh, so wie der Staub jenes Maals,
Dess Ruin sinket, es geh unter dein Lied!)
[268]
Täuschen sich, kältere Zweifler noch,
Wenn jeden geflügelten Silberton,
So den Schwung über des Hains Wipfel schwingt,
Das Verdienst dessen gebot, welchen ihr sangt.
Ja du Verschwender! nun strömt mein Herz
In höheren wahren Gesang nicht aus!
Es verweh, so wie der Staub jenes Maals,
Dess Ruin sinket, es geh unter dein Lied!
Buchempfehlung
Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«
270 Seiten, 9.60 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro