Das Bündniß

[137] »Selmar, dein Wort: Du erscheinst, stirbst du vor mir,

Deiner Selma! O geuss den Balsam

In die Wunde der verlassnen,

Selmar, dein heiliges Wort!«


Selma, dein Wort: Du erscheinst, stirbst du vor mir,

Deinem Selmar! O geuss den Balsam

In die Wunde des verlassnen,

Selma, dein heiliges Wort!


Aber kann es, wer schied, kann er sein Bild

Schaffen dem wartenden Blick des Freundes,

Der verstummend ihm zurückblieb

An der trennenden Gruft?
[138]

Zeigen kann ich vielleicht, dass ich dir nah,

Dass ich dein Selmar noch hin! durch Zeichen,

Die gewiss dir, wie Erscheinung,

Und nicht schrecklich dir sind.


»Wenn einst, Selmar, im Lenz unter dem Baum

Junge Blüthe dich labt; dann giess' ich,

Wie den Regen, der nicht träufelt,

Zeigend, auf dich sie herab.«


Weilst du der Nachtigall einst, Selma, im Lenz;

Send' ich zu dir sie herab; sie fliegt dir

Auf die Schulter, und sie singt da

Neuer als jemals, und stirbt.


»Nein, nicht Zerstörung! vom Baum lös' ich die Frucht

Mit der Blüthe nicht ab; den Liebling,

Der noch wach ist, mir au flöten,

Selmar, den tödtest du nicht!


Wenn kaum rege das Laub, leise der Bach

Einst dir rauschen; du hörst dann lautre

Melodicen, die du kennest,

Töne, wie Selma's Gesang.
[139]

Wenn nach Wettern mein Blick zu des Olymps

Hohem Bogen sich hebt; dann seh' ich,

An dem Rande des Gemähldes,

Flämchen erwachen, und wehn.


Selma, mein Wort: Du erblickst, sterb' ich vor dir,

Wehende Flämchen! »Mein Wort: Du hörest,

Mit den Blättern, und dem Bache,

Töne, wie Selma's Gesang!


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 2, Leipzig 1798, S. 137-140.
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