Der 3. Absatz.

Von dem Fuchsen.

[329] Der Fuchs ist wegen seinem schönen / gelind- und warmen Balg / der uns im Winter so gute Dienst leistet / jedermänniglich genugsam bekannt: wegen dem Fleisch aber wäre es nicht der Mühe werth ihme nachzujagen / dann es nicht gut zu essen.16 Es ist aber der Fuchs von Natur ein gar arglistig- und falsches Thier /das fast alle andere Thier zu hintergehen und zu betrügen weiß: absonderlich ist er den Hüneren und allem Geflügel sehr gefähr und schädlich / wie auch den jungen Haasen und Rehen.

Die Füchs werffen ihre Junge in dem Mayen 2. biß 6. an der Zahl / und um Jacobi-Fest lauffen sie schon mit den Alten auf den Raub aus. Sie essen allerley Speiß / Fleisch / Fisch und Obs etc. Sie werden blind gebohren / als wie die Hund / mit denen sie auch zu Zeiten brunsten / und bellen als wie die Hund: Um Martini kommt ihr Balg in vollkommnen Stand / im Sommer aber ist er nicht gut / er laßt die Haar. Der Fuchs laufft niemahl den geraden Weeg / sondern macht vil krumme Ränck und Umschweiff / damit ihn die Jäger und Hund destoweniger verwischen. Im anderten Jahr in dem Herbst machen ihnen die junge Füchs neue Bäu oder Höhlen mit unterschiedlichen Löcheren oder Aus- und Eingängen wegen Nachstellung der Jäger und Hunden: wann sie aber einen Dachs-Bau oder Höhle finden / da vertreiben sie den Dachsen darauß / und thun sich selbst darinn einquartiren; dann sie besudlen den Eingang der Höhle mit ihrem stinckenden Unrath / ab welchem der Dachs /so er nach seiner Abwesenheit wieder zuruck kommt /einen Grausen hat / und seine alte Wohnung verlasset. Wann der Fuchs gern Vögel fangen thäte / da besudlet er sich mit Koth / legt sich auf dem Feld nieder /und stellt sich / als wann er todt wäre / biß daß die Vögel ihme gantz nahe kommen / die er dann in Eil erschnappet und frißt.

Wegen diesen und dergleichen Eigenschafften ist der Fuchs jederzeit billich für ein lebhaffte Abbildung der Arglistigen / der Falschen und Gleißneren gehalten worden / also / daß man nach gemeiner Redens-Art / oder zu einem solchen zu sagen pflegt: Er seye ein arger Fuchs: dann diese thun auf unterschiedliche Weiß die Menschen / als wie der Fuchs die Thier / betrügen und beschädigen: Sie haben in ihrem Lauff /das ist / in ihrem Umgang und Lebens-Art tausenderley falsche Sprüng und Ränck / Vortheil und Ausflüchten / auf die man ihnen nicht leicht kommen kan.17 Sie vertreiben auch öffters / als wie die Füchs den Dachsen / andere aus ihrem Eigenthum / von Hauß und Hoff / und dringen sich mit List oder mit Gewalt daselbsten ein. Offt stellen sie sich todt / das ist / gantz friedlich / still und ruhig / inzwischen aber lausteren sie nur auf eine Gelegenheit / die Unfürsichtige ins Garn zu fällen / und um das Ihrige zu bringen. Es ist ein Brauch / der gar gemein / betrügen durch den Freundschaffts-Schein. Die Füchs haben scharpffe Zähn und spitzige Klauen / aber einen stinckenden Athem / und ihre Biß heilen ungern. Auch[329] die falsche Gleißner und Betrüger versetzen einem Menschen gar schädliche Biß / das ist / verursachen grossen Schaden / ich will sagen einen schlimmen Ruff. Sie seynd bey Ehr-liebenden und aufrichtigen Leuthen verhaßt. Christus der HErr selbsten hat den schalckhafften Herodem einen Fuchs genennet / sprechend: Ite & dicite vulpi illi:18 Gehet hin und saget dem Fuchsen etc.

Die Füchs schleichen auch in die Weingärten ein /sie verderben selbe / und fressen die Trauben ab / wie in den hohen Liederen Salomonis gemeldet wird.19 Solche diebische Füchs seynd in sittlichem Verstand die Ketzer und Irrglaubige / welche in den Weingarten des HErrn / das ist / die Catholische Kirchen sich eindringen / selbe verwüsten / und ihre Früchten zu Grund richten.

Solche schädliche Füchslein seynd die Laxitäten und Mißbräuch / die bey denen Ordens-Geistlichen /und in den Gottshäuseren / als sittlichen Weingärten einschleichen / und die süsse Trauben / oder die Früchten des Gehorsams und der Clösterlichen Disciplin hinweg fressen.

Solche schlimme Füchs endlichen seynd die falsche Politici, Schmeichler und Gleißner / die interessirte Beamte und Finanz-Räth / die bey geistlich- und weltlichen Höfen der Fürsten und Herren sich eindringen / und die beste Früchten und Intraden des Lands /des Ærarii publici oder der gemeinen Cassa verzehren / verderliche Maximen und Grundsätz einführen etc.

Der Fuchs weiß vortrefflich wohl mit seinem Schweiff umzuspringen / und manche Possen darmit zu spihlen.20 Er isset gar gern Wespen (villeicht weil sie etwas süß seynd / wann sie den Immen das Honig gestohlen haben) aber er laßt sich nicht gern stechen. Was thut er dann / wann er ein Wespen-Nest findet /wo sie hundert-weiß beysammen seynd? Steckt er etwan die Datzen oder Nasen darein? Nein / das laßt er wohl bleiben / so einfältig ist er nicht: sondern er legt sich nider / verdecket den Kopff und gantzen Leib im Laub oder Graß / so gut er kan / den Schweiff allein laßt er sehen: da sitzen die Wespen häuffig darauf / und wann der Fuchs vermercket / daß sein Schweiff mit Wespen angefüllt ist / da springt er gähling auf / und schlaget den Schweiff wacker an einem Stein oder harten Baum herum / also / daß die Wespen zerknirscht werden und todt herab fallen / hernach klaubt er sie zusammen / und frißt sie auf.

Wann er aber fischen will / da henckt er seinen Schweiff in das Wasser / und so bald ein Fisch aus Fürwitz nach selbem schnappet und darein beißt / so schwingt er ihn augenblicklich in die Höhe / und schlengt den Fisch aufs Land herauß etc.

Auch die politische Füchs / die arglistige Gleißner / Schmeichler und Betrüger wissen gar wohl mit dem Fuchs-Schwantz umzugehen. Auf waidmännisch heisset man den Fuchs-Schwantz die Ruthen: ja eben recht; dann er taugt ihnen für ein Glücks-Ruthen / so ihnen die verborgne Schätz eröffnet: dann mit Fuchsschwäntzlen / das ist / mit Flatiren und Schmeichlen locken sie manchem das Geld aus dem Beutel und aus der Truhen herauß. Der Fuchsschwantz / obwohlen er keinen Bart hat / so hat er doch gar linde Haar / und taugt einem manchen für einen Haupt-Schlüssel / er gehet überall ein / und eröffnet allen Zugang bey den Höfen / auch der Fürsten und grosser Herren ihre Zimmer / ja mit solchen Schlüßlen / mit den Fuchsschwäntzen kan man ihnen den Hertz-Kasten leicht eröffnen / das ist / das Hertz abgewinnen.

Andere machen eine Laiter von lauter Fuchsschwäntzen / auf welcher sie fein satt und sanfft zu fürnehmen Aemteren und hohen Ehren-Stellen hinauf steigen etc.

Der starcke Samson hat einstens bey 300. lebendige Füchs lassen zusammen fangen / allzeit zwey und zwey bey den Schweiffen zusammen gebunden / und überall ein brinnende Fackel darzwischen / und also hat er die Füchs hin und wieder in die Felder der Philistäer seiner Feinden / alles dardurch[330] anzuzünden /lassen auslauffen. O wan jetziger Zeit alle politische Füchs / ich will sagen / alle arglistige Gleißner /Schmeichler und Betrüger feurige Schweiff hätten /und alles anzündeten / wo sie hinkommen / wie mancher Hof und Residentz-Stadt wurde in völligem Brand stehen!

Der Fuchs hat auch noch diese besondere Art und Behutsamkeit / daß / wann er über ein gefrohrnes Wasser gehen will / da trauet er nicht gleich den Augen allein / sondern er hebt das eine Ohr auf das Eiß nider / zu probieren / ob er das Wasser unter dem Eiß rauschen höre / oder nicht: wann er es hört / so denckt er holla / das Eiß ist zu dünn / es wird mich nicht tragen / sondern mit mir brechen / und ich versauffen / gehet also wieder zuruck. Hört er aber von dem Wasser nichts / so gehet er auf dem Eiß kecklich fort. Dises ist ein löbliche Sorgfalt und Fürsichtigkeit / in welcher die Menschen billich dem Fuchsen solten nachfolgen / und nicht so unbehutsam auf das Eiß sich hinein wagen / sondern zuvor erforschen / ob es tragen thue. Ein Eiß aber / ein dünnes Eiß / welches die Menschen nicht traget / ja gar bald wieder gäntzlich verschmeltzt und vergehet / ist die zeitliche Wohlfahrt / Ehren / Wollüst- und Reichthumen / die Gunst und Gewogenheit grosser Herren etc. Die Menschen / so auf dieses Eiß gehen / und sich darauf verlassen / setzen keinen sicheren Fuß-Tritt / sie haben gar keinen vesten Grund / und seynd nie sicher / wann dieses Eiß bricht / oder gar zerschmeltzt / mithin seynd sie immerdar in der Gefahr / zu versincken und zu ertrincken. Der Königliche Prophet David warnet uns / daß wir nicht sollen auf das Eiß gehen / und diesem Eiß nicht trauen / indem er sagt: Nolite confidere in Principibus, in filiis hominum, in quibus non est falus:21 Hoffet nicht / verlasset euch nicht auf die Fürsten und Herren / auf Menschen Kinder / bey welchen weder Heyl noch Sicherheit zu finden ist; dann wann sie sagen / es seye Frid / es ist kein Gefahr / da wird sie das Verderben schnell überfallen.22

Ubrigens hat sich der Arglist und die Falschheit des Fuchsen absonderlich in nachfolgender Begebenheit erwiesen.23 Ein Fuchs und ein Geißbock sprangen vor Durst mit einander in einen Brunnen / damit sie ihnen genug trincken möchten / es ist auch geschehen: aber nach diesem sagte der Bock zu dem Fuchsen / den Durst haben wir zwar gelöscht / aber wie kommen wir jetzund wieder aus dem Brunnen hinauß? Ja / sagte der Fuchs / das ist ein andere Frag / es wird Studierens brauchen. Doch weiß ich einen anderen Rath / stehe du mir Bock / richte dich auf die hintere Füß / spreize dich mit den vorderen Füssen an der Maur an / und lasse mich dir auf den Kopff sitzen / so kan ich schon hinauf springen / und wann ich draussen bin / will ich dir ein Laiteren bringen / daß du auch hinauf steigen kanst. Der Bock ware nichts als froh / er machte es also / und der Fuchs nimmt einen Sprung / und kommt glücklich hinauß. Der Bock wartete mit Verlangen / biß ihm der Fuchs die Laiteren bringe / aber ja wohl Laiteren bringen / er sprange /tantzte vor Freuden um den Brunnen herum / den Bock aber liesse er gleichwohl darunten sitzen / und lachte ihn aus. Dieser fluchte über ihn / hiesse ihn einen treulosen Betrüger / der sein Parolen nicht gehalten / und sprach: ich sihe wohl /


Wo nichts als Redlichkeit soll seyn /

Da ist die Untreu gantz gemein.


Der Fuchs aber sagte zum Bock: Du einfältiger Tropff / wann du so vil Hirn im Kopff als Haar im Bart hättest / so wurdest du dich niemahl in Brunnen hinab gelassen haben / wann du dir nicht getrauest wiederum herauf zu kommen / so hättest du zuvor sollen herauß bleiben: gleich bey dem Eingang soll man schon an den Ausgang dencken / und sich jenes Sprüchleins des Poeten erinneren:


Quidquid agis, prudenter agas, & respice finem.


All's was du thust / thu mit Bedacht /

Und das End fein wohl betracht.
[331]

Aber was ist es Wunder / fahret er weiters fort / es machen es die eitle Welt-Menschen selber nicht besser / sie plumpffen unbedacht in tieffe Wasser-Sümpff der irrdischen Wollüsten hinein / sie begeben sich in die gröste Gefahren und böse Gelegenheiten / und gedencken nichts wenigers / als wie sie wieder herauß kommen und dem Untergang mögen entgehen. Ich hab es / sagte er weiters / wohl gescheider angestellt /als mich der Löw / so sich kranck stellte / in seine Höhle zu kommen eingeladen hat / mich versicherend / es soll mir kein Leyd geschehen / es seyen vil andere Thier auch zu ihm kommen / da hab ich zuvor alles fleissig ausgespähet / und aus den Fußstapffen anderer Thieren betrachtet / daß zwar viel zu ihm in die Höhle hinein gegangen / aber keines mehr herauß kommen seye. Vestigia nulla retrorsum. Ich excusirte mich also gantz höflich gegen ihm / mit Vermelden /ich hätte etwas in geheim mit ihm allein zu reden /und wolle warten / biß andere wieder hinweg gegangen seyen. Es wolte aber keines mehr zuruck kom men: dann wie ich wohl vermerckt / hat er alle umgebracht und gefressen. Deßwegen sagte ich: Nein nein /es ist da nicht zu trauen / ich machte mich aus dem Staub / und gedachte bey mir selbst:


Felix quem faciunt aliena pericula cautum.


Glückselig ist / den frembde Gfahr

Lehrt / daß er sich vom Fall bewahr.


Aber so arg und listig der Fuchs immer ist / so gehet ihm doch nicht alles an / bißweilen muß er auch seine Falschheit mit dem Balg bezahlen.24 Er hat einstens mit dem Esel Bruderschafft getruncken / und einen Contract geschlossen / sie wollen hinfüran mit einander auf den Raub ausgehen / und was sie bekommen / brüderlich theilen / er bekomme so vil Hennen und Eyer / Gänß und Enten etc. daß er offt wünschte /wann er nur einen hätte / der ihms helffe nacher Hauß tragen. Der einfältige Esel ware wohl zufrieden / und vermeinte es gut getroffen zu haben. Aber als sie das erstemahl ausgiengen / da hat der Fuchs einen Löwen ersehen: er truge alsobald Sorg für seinen Balg / und lieff gleich selbst dem Löwen zu / ihne bittend / er solle ihm doch verschonen / und ihn nicht fressen / es komme da gleich ein Esel hernach / den wolle er ihm ins Garn lieferen / wann er ihm das Leben schencke. Der Löw sagte ja / und der Fuchs hat den guten Langohr unter falschem Vorwand und Versicherung dem Löwen den geraden Weeg ins Garn geführt: Dieser aber / der Löw / gedachte / nun ist mir die Esels-Haut gantz gewiß / aber den Fuchs-Balg muß ich auch haben: spricht also zu dem Fuchs / der Winter ist vor der Thür / und ich hab keine Beltzhauben mehr / du must mir eben deinen Balg hergeben / mithin ergreifft er ihn / und ziehet ihm noch vor dem Esel die Haut über die Ohren ab. Da fieng er mit spater Reu zu lamentiren an / und zu sagen: O wie wahr ist es: die Untreu schlagt ihren eignen Herrn! O wie wahr ist es: es bleibt nichts ungerochen / der dem anderen eine Grub grabet / fallet offt selbst darein! hätte ich den armen Esel nicht so treuloß verrathen / so wären wir villeicht beyde etc. Ein mehrers kunte er nicht sagen /dann / ehe daß er gar ausgeredet / hat ihm der Löw seinen verlognen Halß umgeriben.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 329-332.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Cardenio und Celinde

Cardenio und Celinde

Die keusche Olympia wendet sich ab von dem allzu ungestümen jungen Spanier Cardenio, der wiederum tröstet sich mit der leichter zu habenden Celinde, nachdem er ihren Liebhaber aus dem Wege räumt. Doch erträgt er nicht, dass Olympia auf Lysanders Werben eingeht und beschließt, sich an ihm zu rächen. Verhängnisvoll und leidenschaftlich kommt alles ganz anders. Ungewöhnlich für die Zeit läßt Gryphius Figuren niederen Standes auftreten und bedient sich einer eher volkstümlichen Sprache. »Cardenio und Celinde« sind in diesem Sinne Vorläufer des »bürgerlichen Trauerspiels«.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon